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Die großen Überraschungen bei der Wirtschaftskammerwahl 2010 blieben aus. Trotzdem ist das Ergebnis bemerkenswert. Einerseits konnte der ÖVP-Wirtschaftsbund (ÖWB) bei mehr als 70 Prozent nochmals zulegen (70,9), gleichzeitig schaffte es der freiheitliche RFW, sein Katastrophenergebnis von 2005, als man von 19 auf 10 Prozent absackte, nochmals zu unterbieten (8,4).
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Dieses Ergebnis der zuletzt erfolgsverwöhnten Freiheitlichen überrascht, ist aber leicht erklärt: in Kärnten, wo sich das BZÖ wieder der FPÖ zugewandt hat, gab es ein "Erdbeben", wie WKO-Chef Christoph Leitl sagt. Der RFW verlor knapp acht Prozent, der ÖWB legte um ebenso viel zu. Hier spielt einerseits das Hypo-Desaster mit hinein, andererseits traut man der FPK offensichtlich keine Wirtschaftskompetenz mehr zu. In Wien ist die blaue Wirtschaft zerstritten und trat mit zwei Listen an, auch hier setzte es deutliche Verluste. Für Meinungsforscher Peter Ulram (GfK Austria) zeigt das Ergebnis, dass sich die Krise innerhalb der Wirtschaft nicht zugunsten der Protestgruppen auswirkt, vor allem wenn diese den "Wählern kein richtiges Angebot vorlegen".
Leitl wiederum profitierte davon, dass die Zufriedenheit mit der WKO insgesamt sehr hoch ist (81 Prozent). Auch seine persönlichen Beliebtheitswerte gehen über die ÖWB-Wählerschaft hinaus (79 Prozent).
Von solchen Werten kann Christoph Matznetter, Spitzenkandidat des sozialdemokratischen SWV, nur träumen. Zwar konnte mit 11,8 Prozent der zweite Platz gehalten werden, dennoch ging die Hälfte der Zugewinne von 2005 verloren.
Die Grünen wiederum konnten zwar ihre Wählerzahl um 30 Prozent erhöhen, ein Plus von 1,3 Prozentpunkten auf 5,7 Prozent macht sich aber doch recht bescheiden aus. Insgesamt blieben die Grünen deutlich unter dem Wahlziel von 9 Prozent.
Während für Christoph Leitl die Wirtschaftskammerwahl keine Signalwirkung für die kommenden Urnengänge hat, zeigen sich für Ulram Rückschlüsse auf die Politik: Für den Meinungsforscher bestätigt sich das Bild, "dass die ÖVP derzeit deutlich stärkste Kraft vor der SPÖ ist" und dass die FPÖ eher ein Problem für die SPÖ als für die ÖVP ist (daher konnten die Freiheitlichen bei der Arbeiterkammerwahl zulegen, bei der WKO-Wahl nicht).
Bleibt noch das Problem der geringen Wahlbeteiligung: An der Zufriedenheit mit der WKO kann es nicht liegen, dass nur 41 Prozent zur Wahl gingen (oder per Brief wählten). Laut GfK-Umfrage ist auch bei den Nichtwählern eine deutliche Mehrheit einverstanden mit ihrer Standesvertretung. Vielmehr ist es die Dominanz des ÖWB, der die Wähler von den Urnen abhält, "weil die Wahl nichts an den Verhältnissen in der Kammer ändert".
Siehe auch:WKO-Chef Leitl fordert mehr Mut in der Politik