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Wirtschaftskrise: Der Frust regiert

Von Eva Stanzl

Europaarchiv
Regierungschefin oder Opposition? Unbehagen überTimoschenkos Wirtschaftspolitik. Foto: AP

Unrealistische Budgetentwürfe? | Heimische Nachfrage auf dem Boden. | Kiew/Wien. Zu Boom-Zeiten erfreute sich die Ukraine eines sieben-prozentigen Wachstums. Konsum- und Femdwährungskredite für Wohnungen wurden dankbar angenommen, der Griwna war an den US-Dollar fixiert. Die Konjunktur-Überhitzung ließ jedoch die Inflation der beiden Länder bald auseinanderklaffen - "als die Krise kam, platzte die Blase", sagt Vasily Astrov vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche.


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Wahlforscher rechnen der Regierungschefin Julia Timoschenko unter anderem deswegen geringe Chancen an, die Stichwahl zu gewinnen, weil der Frust über die gravierenden Auswirkungen der Wirtschaftskrise tief sitzt. 2009 brach die Wirtschaft im zweitgrößten Flächenland Europas um 15 Prozent ein. Die Ukraine wurde von der globalen Krise auf das Schärfste getroffen, insbesondere, weil die Preise für wichtige nationale Rohstoffexporte wie Stahl drastisch fielen.

Wahlzuckerl-Verteilung

Die ukrainische Wirtschaft ist derzeit auf dem größten Tiefpunkt seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion vor 20 Jahren. Lediglich Hilfen des Internationalen Währungsfonds (IWF) von 16,4 Milliarden Dollar (11,36 Milliarden Euro) plus zwei Milliarden Dollar Soforthilfe haben das Land vor dem Bankrott gerettet. Der IWF hat seine Hilfen jedoch nunmehr eingefroren, weil die Ukraine ihrem Versprechen, die Gaspreise anzuheben, nicht nachgekommen ist. Stattdessen erhöhte Timoschenko als Wahlzuckerl die Mindestlöhne und Pensionen. Der IWF hat seine Überweisungen gestoppt, bis das Budget 2010 verabschiedet ist.

Bisherige Entwürfe hält der IWF einnahmenseitig für unrealistisch. Mit einer neuen Budgetplanung kann es aber frühestens nach den Wahlen begonnen werden. "Im schlimmsten Fall kommt es zu vorzeitigen Neuwahlen, etwa wenn in der Folge keine Koalition gebildet werden kann", sagt Astrov. Bis dahin sei die dem künftigen Präsidenten unterstellte Nationalbank jedenfalls lahmgelegt.

Je länger die Regierungsbildung dauert, desto länger wird das IWF-Programm angehalten, desto länger müssen die Geldreserven der ukrainischen Nationalbank angezapft werden und desto langsamer erholt sich die Wirtschaft, betont jüngst die Bank Austria/UniCredit in einer Länderstudie. Die Auslandsverschuldung der Ukraine liegt bei 47 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Die Bevölkerung trifft das hart. Zwar haben weniger Menschen ihren Arbeitsplatz verloren als in anderen Ländern. So lag die Arbeitslosigkeit laut Umfrage der International Labour Organization 2008 bei 6,4 Prozent und 2009 bei rund zehn Prozent. "Doch selbst, wer einen Job hat, lebt nicht gut", sagt Astrov. Besonders die unteren Einkommensschichten bekommen die Gehaltskürzungen, die der flexible Arbeitsmarkt ermöglicht, hart zu spüren. So gehen mittlerweile die Exporte von Stahl und Düngemittel zwar auf dem Weltmarkt nach oben, doch die heimische Nachfrage bleibt auf dem Boden.

Siehe auch:Schmutziges Duell um jede Stimme

+++ Mehr Wachstum als in Polen