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Wirtschaftskrise verdirbt Rot-Grün die Bilanz

Von Benno König

Politik

Berlin - Spätestens seit Bekanntgabe der Juli-Arbeitslosenzahlen ist offensichtlich, dass Gerhard Schröder sich verkalkuliert hat. Bis zuletzt haben der deutsche Bundeskanzler und seine SPD darauf gesetzt, dass sich die Lage noch rechtzeitig vor der Wahl zum Besseren wenden werde. Jetzt jedoch erwartet Schröders Mann an der Spitze der Bundesanstalt für Arbeit, Florian Gerster, die Wende erst für das vierte Quartal des Jahres. Dann aber ist die Wahl gelaufen.


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Bei Schröders Amtsantritt vor vier Jahren sah die Lage völlig anders aus. Bei günstiger Konjunkturlage begann die Arbeitslosenzahl, die unter CDU-Kanzler Helmut Kohl Rekordmarken erreicht hatte, allmählich zu sinken. Seine Regierung wolle er am Abbau der Arbeitslosigkeit messen lassen, versprach Schröder und machte sich daran, den positiven Trend zu beschleunigen. Ein zentrales Werkzeug war das Bündnis für Arbeit, durch das der neue Kanzler einen Konsens mit Arbeitgebern und Gewerkschaften zur Schaffung neuer Jobs erreichen wollte. Dazu kamen unter anderem das Sofortprogramm zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit und die Steuerreform.

Von 4,13 Millionen Arbeitslosen im Juli 1998 sank die Arbeitslosigkeit bis auf 3,6 Millionen im Oktober 2000. Wohl mehr aus einer Laune heraus als taktisch geplant ließ sich Schröder zu der Ankündigung hinreißen, noch in der laufenden Legislaturperiode werde die Arbeitslosigkeit unter 3,5 Millionen sinken. Dann geriet die Konjunktur weltweit ins Stottern, die High-Tech-Blase platzte und schließlich verdüsterte die allgemeine Verunsicherung nach den Terroranschlägen vom 11. September die wirtschaftlichen Aussichten. Die Regierung hatte darauf keinen Einfluss, doch mit dem Anstieg der Arbeitslosenzahl wieder über die Vier-Millionen-Marke bröckelte auch das Image des Erfolgsmenschen Schröder.

Arbeitsminister Walter Riester konzentrierte sich nach den arbeitsmarktpolitischen Reformen der rot-grünen Anfangszeit zunächst auf die Rentenreform. Am Arbeitsmarkt lief ja scheinbar alles nach Plan. Dann wurden mit dem Gesetz zur Teilzeitarbeit und der Reform des Betriebsverfassungsgesetzes zwar wichtige Zusagen an die Gewerkschaften eingelöst, zugleich aber die Arbeitgeber verprellt, die ohnehin bereits auf Distanz zum Bündnis für Arbeit gingen.

Spät schlug der Kanzler in der Krise Alarm. Erst als die Rufe nach energischem Handeln bei andauernder Wirtschaftskrise immer lauter wurden, gab die Regierung Gas. Anfang 2002 trat das "Job-Aqtiv-Gesetz" in Kraft, dass die Jobvermittlung effektiver machen soll. Zwei Monate später startete bundesweit das so genannte Mainzer Kombilohn-Modell, bei dem für niedrige Einkommen Zuschüsse zu den Sozialversicherungsbeiträgen gezahlt werden. Das Stadtumbauprogramm Ost soll auch der notleidenden Bauwirtschaft helfen.

Der wirklich große Schritt erfolgte auf Grundlage eines Skandals. Als bekannt wurde, dass die Bundesanstalt für Arbeit in großem Stil Vermittlungsstatistiken geschönt hatte, griff Schröder durch. Er leitete die Umwandlung der Mammutbehörde in einen modernen Dienstleister ein, holte den als tatkräftig geltenden Mainzer Arbeitsminister Florian Gerster als neuen Chef - und er setzte jene Kommission unter Leitung des VW-Personalvorstands Peter Hartz ein, deren Vorschläge ein Job-Wunder bewirken sollen.

War deren ursprünglicher Auftrag nur die weitere Reform der Bundesanstalt für Arbeit, setzen Hartz und seine Mitstreiter inzwischen zum großen Wurf an. Weit über das rot-grüne Lager hinaus werden die unkonventionellen Vorschläge gelobt. Wenn die Hartz-Vorschläge bereits vor einem Jahr umgesetzt worden wären, "hätte Schröder das Ziel von 3,5 Millionen Arbeitslosen vermutlich erreicht", sagt der Wirtschaftsweise Bert Rürup.