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Die anhaltende Finanz- und Wirtschaftskrise entwickelt sich zunehmend zu einer Belastungsprobe für die Europäische Union. Gräben tun sich auf, nicht nur zwischen den alten Mitgliedsstaaten und den seit 2004 beigetretenen Ländern in Zentral- und Osteuropa - also zwischen den reicheren und den ärmeren. Auch innerhalb der Blöcke treten Risse zu Tage. Denn reflexartig neigen die Mitgliedsstaaten dazu, als erstes auf ihre eigene Volkswirtschaft zu achten. | Am plakativsten praktiziert das der französische Präsident Nicolas Sarkozy, der die Einstellung "Frankreich zuerst" ohnehin im Blut haben dürfte. Mit seinem kaum versteckten Protektionismus zu Gunsten der französischen Automobilindustrie hatte er mit seinem Hilfspaket einen Aufschrei beim derzeitigen EU-Vorsitzland Tschechien provoziert. Zwar ist der tschechische Premier Mirek Topolanek als amtierender EU-Vorsitzender der Unparteilichkeit verpflichtet. Seine scharfe Rüge an die Adresse des Franzosen konnte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es ihm selbstverständlich auch um die Zweigsniederlassungen des französischen Automobilgiganten PSA (Peugeot/Citroen) in Tschechien und der Slowakei geht. Auf deren Kosten hätte Paris gerne Werksschließungen und Arbeitsplatzverluste im eigenen Land verhindert.
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Erst nach massivem Gegenwind aus den neuen Mitgliedsstaaten, aus Deutschland und aus Brüssel selbst entschärften die Franzosen ihren Gesetzesentwurf. Die "moralische Pflicht" zum Erhalt der französischen Arbeitplätze gebe es für Konzerne, die Staatshilfen in Anspruch nehmen, jedoch weiter, mahnt Paris.
Im Streit um die Hilfsmaßnahmen für die neuen Mitgliedstaaten wehren sich Länder wie Tschechien und die Slowakei unterdessen, mit vom Bankrott bedrohten Ländern wie Ungarn oder Lettland in einen Topf geworfen zu werden. So werde die Katastrophe eher noch herbeigeredet, murren Prag und Pressburg. Auch Polen will von einem Schulterschluss mit Budapest nichts mehr wissen. Wie eine ansteckende Krankheit wird die vorerst gerade noch abgewendete Pleite der Ungarn offenbar bereits gesehen.
Doch die Währungen fast aller neuen Mitgliedsstaaten befinden sich in der Krise auf Talfahrt gegenüber dem Euro. Ihr verständlicher Wunsch, schneller und einfacher der Eurozone beizutreten, wird dadurch nicht leichter zu erfüllen.
Auf der anderen Seite können aber auch zahlreiche Euroländer selbst die Bedingungen des Stabilitätspakts nicht mehr erfüllen. Irland etwa wird nur mit größter Mühe ein Budgetdefizit im zweistelligen Bereich vermeiden können.
Wie Euroländer einander finanziell helfen sollen, ist offen. Wie das politische Gefüge der EU im schlimmsten Fall noch zu retten ist, kann bisher noch niemand sagen. Den Beteuerungen der Regierungen müssen jedenfalls entsprechende Taten folgen.
Wie schwierig das ist, zeigt der wachsende Unmut der Bevölkerung in osteuropäischen Ländern oder auch in Großbritannien.