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Wirtschaftslage schlägt Skandale

Von Alexander Dworzak

Politik

Konservative CDU setzt auf Kanzlerin und Personalisierungsstrategie.


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Berlin. Viel weiß man über Angela Merkels politische Biografie, das Privatleben der deutschen Kanzlerin blieb - anders als bei Amtsvorgänger Gerhard Schröder - stets im Hintergrund. Doch bereits in sieben Wochen findet die Bundestagswahl statt, und in der heißen Phase des Wahlkampfs muss auch die zugeknöpfte Kanzlerin Konzessionen machen: "Ich bin eine leidenschaftliche Gärtnerin und koche gern. Mein Mann beschwert sich selten. Nur auf dem Kuchen sind ihm immer zu wenig Streusel. Konditorensohn halt", entnimmt der Leser einer Broschüre, die das Leben der Kanzlerin in 21 Fotos erzählt.

Petitessen, möchte man meinen. Inhaltlicher Schwung ist auch mit den nun gestarteten großflächigen Plakatserien von CDU und SPD kaum in den Wahlkampf gekommen, die Auguren arbeiten sich derzeit daran ab, wie stark einander die beiden Parteien gleichen. "Sichere Arbeit", "Starke Wirtschaft", "Mehr für Familien" und "Solide Finanzen" - welcher Sozialdemokrat könnte etwas gegen die aktuellen CDU-Slogans einwenden? Einzig das Plakat "Gemeinsam erfolgreich" mit einem Angela-Merkel-Porträtbild dürfte nicht auf Zustimmung stoßen.

Unterschied namens Merkel

Eine Million Streusel-Flyer sollen in den kommenden Wochen unter das Wahlvolk gebracht werden. Der Erfolg der Union aus CDU und ihrer bayerischen Schwester CSU steht und fällt mit der Kanzlerin. Unter ihrer Ägide haben sich die Konservativen immer mehr in die Mitte bewegt und damit die Wahlen 2005 und 2009 für sich entschieden - während Millionen früherer SPD-Wähler den Urnen ferngeblieben sind, oder für eine andere Partei votierten. Mit ihrem restriktiven Sparkurs in der Euro-Krise trifft Merkel den Nerv der Deutschen; zwei Drittel der Bürger sind mit ihrer Arbeit zufrieden, 60 Prozent würden bei einer hypothetischen Direktwahl des Regierungschefs die gebürtige Ostdeutsche wählen. SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück schafft vergleichsweise kümmerliche 28 Prozent. Schon alleine deswegen verfolgt die CDU im Wahlkampf eine Personalisierungsstrategie und setzt ganz auf ihre Spitzenkandidatin.

Miserabler Wahlkämpfer

So klar war der Vorsprung nicht immer, vergleichsweise geringe zehn Prozentpunkte lag Merkel vor Steinbrück, als der Hanseat Ende 2012 seine Kanzlerkandidatur verkündete. Als Finanzminister der großen Koalition 2005 bis 2009 konnte er seine finanzpolitische Reputation voll ausspielen und punktete mit messerscharfer Analyse. Doch nun beschädigt er sich laufend selbst, zuletzt attestierte er Merkel mangelndes europapolitisches Interesse ob ihrer ostdeutschen Herkunft - und musste prompt zurückrudern. Steinbrück ist ein hervorragender Sachpolitiker, aber ein miserabler Wahlkämpfer. Das zeigte sich bereits 2005: Als SPD-Spitzenkandidat verlor er bei der Landtagswahl das rote Kernland Nordrhein-Westfalen an die Konservativen.

16 Prozentpunkte liegt die SPD in Umfragen derzeit hinter der CDU. Steinbrück kämpft zwar brav und liefert insbesondere bei wirtschafts- und finanzpolitischen Themen Vorschläge, sein Wahlkampf unter dem Motto Gerechtigkeit findet aber wenig Widerhall. Noch schlimmer: Die FDP kommt wieder über die Fünf-Prozent-Hürde, könnte mit der CDU (42 Prozent) erneut eine Mehrheit schaffen. Rot-Grün erzielt lediglich 39 Prozent, nicht einmal mit den Stimmen der Linkspartei - Rot-Rot-Grün wird offiziell kategorisch bestritten - gäbe es eine Mehrheit. Da Schwarz-Grün zwar rechnerisch möglich, aber praktisch nur wenig wahrscheinlich ist, bliebe als Alternative zur amtierenden Mitte-rechts-Regierung eine große Koalition. Ob ein Wahlverlierer Steinbrück dann nochmals in der zweiten Reihe hinter Merkel Platz nehmen würde, scheint äußerst fraglich.

Nach jetzigem Stand befindet sich die CDU also in einer komfortablen Position - trotz NSA-Abhöraffäre, trotz des auch parteiintern umstrittenen Betreuungsgeldes für Mütter anstatt weiterer Mittel für Kindertagesstätten, und trotz der 500 Millionen Euro teuren Pleite bei der Drohne "Euro Hawk" sind 52 Prozent der Bürger im Nachbarland laut "ARD Deutschlandtrend" mit der Regierung zufrieden. Das ist der höchste Wert seit Beginn der Umfrageserie durch den öffentlich-rechtlichen Sender vor 16 Jahren.

Keine Wechselstimmung

Zwei Drittel der Deutschen schätzen demnach die dortige wirtschaftliche Lage als sehr gut oder gut ein, gar drei Viertel urteilen so über die eigene ökonomische Situation. Dermaßen positiv war die Stimmung zuletzt 1998 - und das trotz der seit Jahren andauernden Krise in Europa. Auf Sehnsucht nach einem Führungswechsel im Kanzleramt kann Steinbrück also nicht hoffen. Ihm bleibt das Klammern an jene 16 Prozent der völlig unentschlossenen Wähler. Weitere 27 Prozent präferieren zwar eine Partei, sind sich ihrer Wahl aber noch nicht sicher. Eine Strategie, wie die SPD jene Wähler gewinnen will, ist bisher aber nicht in Sicht.