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Wirtschaftsnutzen geht vor Moral: EU boykottiert Ahmadinejad nicht

Von Arian Faal

Analysen

Wochenlang hagelte es aus der europäischen Union Kritik an der umstrittenen Präsidentschaftswahl am 12. Juni im Iran und den Geschehnissen danach. Einige Länder stellten sich vorsichtig hinter die Opposition und forderten die Führung in Teheran auf, Klarheit in den trüben Sumpf der Vorgänge rund um die Wahl zu bringen.


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Nur Frankreich hat sehr bald klargestellt, dass der wiedergewählte Staatschef Mahmoud Ahmadinejad von Paris anerkannt werden wird. Es war nicht das erste Mal, dass die wirtschaftlichen Ambitionen der Franzosen, allen voran die geplanten Gasprojekte des Energieriesen Total, die politische Moral unter den Tisch fallen ließen. Dass jetzt aber auch die Italiener einen Schwenk in puncto Iran vollziehen, verwundert. Staatschef Berlusconi sagte noch im Mai zu einem Journalisten: "Mit Ahmadinejad treffe ich mich nicht, sind Sie verrückt?"

Ausgerechnet Italien gab aber jetzt bekannt, dass die EU nicht, wie ursprünglich geplant, die feierliche Angelobung Ahmadinejads am 5. August in Teheran boykottieren wird. Außenminister Franco Frattini gab die künftige EU-Linie vor und erklärte, man müsse den Dialog mit Teheran offenhalten, und zitierte den britischen Außenminister Miliband: "Wir wollen die Politik des Iran, nicht sein Regime ändern".

Teheran weiß um seine wichtige Rolle als Energiemacht Bescheid, begrüßt "den vernünftigen Vorstoß" des Italieners und unterstreicht zufrieden, dass Italien seit Jahrzehnten zu den wichtigsten Handelspartnern zähle und es noch viele Ressourcen zum Ausbau dieser Beziehungen gebe.

Ist das ein versteckter Hinweis, dass man die Italiener mit einem saftigen Wirtschaftshäppchen an Bord geholt hat? Irans Vertreter in Rom war in den letzten Wochen jedenfalls auffallend oft mit politischen und wirtschaftlichen Größen Italiens beisammen.

Übrig von all der Kritik wird eine sanfte Protestnote zu den Menschenrechten bleiben. Gerade einmal so scharf, dass belegt ist, dass die Europäer nicht tatenlos zusehen, wenn die Menschenrechte in iranischen Gefängnissen brutal missachtet werden. Aber wiederum zahm genug, um den Iran als wichtigen potentiellen Wirtschaftspartner der nächsten Dekade nicht zu vergraulen. Auch Österreich ist mit an Bord dieses Bootes. Das Mega-Gasprojekt Nabucco des heimischen Energiekonzerns OMV ist gerade dank der Zustimmung der Türken abgesegnet, und schon hat OMV-Chef Ruttenstorfer klargestellt, dass auch der Iran eines der Schlüsselländer für das Projekt sein soll. Dass Außenminister Michael Spindelegger betont, dass Österreich bei der Ahmadinejad-Angelobung "sicher nicht politisch präsent sein" werde, ändert daran nichts.