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"Wir haben an der Wirtschaftsuniversität eine Abbrecher-Quote von 45 Prozent", berichtete gestern, Freitag, WU-Rektor Christoph Badelt vor Journalisten in Wien. Um diese Rate zu verringern und das Lehrangebot besser den Markterfordernissen anzupassen, präsentiert die WU Wien ab Herbst dieses Jahres ein komplett überarbeitetes Studienprogramm.
Zum einen wird es zwei neue Studienzweige geben: Wirtschaftswissenschaften mit den Studienzweigen Wirtschaft und Recht, Management Science und Sozioökonomie sowie das Bakkalaureatsstudium Wirtschaftsinformatik. Die Studienrichtung "Handelswissenschaften" wird als "Internationale Betriebswirtschaft" geführt werden und einen verpflichtenden Auslandsaufenthalt vorsehen.
Zum anderen wird der Ablauf des Studiums neu organisiert. Die ersten beiden Semester jedes Zweiges sind als Orientierungsphase definiert. Hier würden die Neuankömmlinge quasi erst mit dem Betrieb einer Universität vertraut gemacht, erklärte Studiendekan Karl Sandner.
Um den Umstieg von der Schule so einfühlsam wie möglich zu gestalten, wird es beispielsweise einen Stundenplan geben. Vor dem ersten Semester würden darüber hinaus Auffrischungskurse für Fremdsprachen und EDV angeboten sowie eine "Orientierungswoche", in der die Erfordernisse eines Studiums vermittelt würden. Dieses Einstiegsjahr habe keinen Selektionscharakter, so Sandner: "Wir werden niemanden hinausprüfen."
Ab dem dritten Semester beginnt die eigentliche universitäre Phase. Ab hier kann eine individuelle Wahl der Studienrichtung und der Lehrmodule erfolgen. Um dem oft kritisierten Massenbetrieb auf der WU Wien entgegenzuwirken, werde man zu gewissen Lehrveranstaltungen maximal 30 Studierenden zulassen, sagte Sandner. Er will damit die Qualität der Wissensvermittlung heben und strebt ab dem dritten Semester eine "Null-Durchfallsquote" an. Um die Prüfungen nicht am Semesterende zu kumulieren, werden so genannte Halbsemester eingeführt, innerhalb derer je fünf Examina abgelegt werden können.
Rektor Badelt bedauerte die hohen Informationsdefizite junger Leute über Wesen und Bedingungen eines Studiums und will Schüler bereits in den Maturaklassen über den universitären Betrieb aufklären. Neben der Verringerung der Abbrecher-Quote will Badelt mit dem neuen Angebot auch die tatsächliche Studiendauer verkürzen. Diese liege derzeit bei 14,8 Semestern, werde sich aufgrund der Studiengebühren möglicherweise auf zwölf Semester reduzieren, was Badelt aber als "noch immer zu hoch" bezeichnete. Greifen die geplanten Maßnahmen, so soll ein WU-Studium in Zukunft nicht länger als neun oder zehn Semester dauern.
Die Aufnahme des sechssemestrigen Bakkalaureat-Zweiges "Wirtschaftinformatik" stellt einen ersten Schritt in Richtung Kurzstudium statt. Badelt: "Langfristig geht der Weg in Richtung Bakkalaureatsstudium."
Das neue Studiensystem gilt ab Herbst 2002 lediglich für Erstsemestrige. Ab dem Studienjahr 2003/2004 können alle Studierenden in die neue Ordnung wechseln. Die "alten" Studien werden parallel zu Ende geführt.
An der WU Wien sind derzeit etwa 19.000 Personen inskribiert, die insgesamt rund 5.500 Lehrveranstaltungen besuchen. Die Zahl der Neuinskribenten liegt bei etwa 2.500, von denen etwa 1.400 einen Abschluss erreichen. Die Einführung der Studiengebühren im Herbst 2001bedeutete für die WU Wien einen Rückgang der Neuinskribenten um 15,2 Prozent. Der österreichische Gesamtdurchschnitt lag bei 17,4 Prozent. 38 Prozent aller WU-Studenten verzeichnen in den ersten beiden Studienjahren weniger als vier Prüfungsantritte, 50 Prozent erreichen die erste Diplomprüfung nicht.
(WZ Online)