Berlin träumt schon von 3 Prozent. | Zweites Halbjahr allerdings vorsichtig zu genießen. | Wien/Berlin. Der sonst eher spröde Charme deutscher Ökonomen scheint von einer Champagnerstimmung ausgelöscht. Boomende Exporte dank der sich erholenden Weltwirtschaft sowie steigende Investitionen ließen das deutsche Bruttoinlandsprodukt um 2,2 Prozent im Vergleich zum Vorquartal steigen. Die Chefvolkswirte der großen Banken lassen sich mit "Sommermärchen" (Commerzbank) und "Wahnsinn" (Dekabank) zitieren, der Wirtschaftsminister spricht von einem "Aufschwung XL".
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Ein Wachstum von bis zu drei Prozent - über das ganze Jahr verteilt - scheint laut einigen Ökonomen greifbar. Ein Plus dieser Größenordnung hatte es zuletzt 2006 gegeben.
Noch 2009 war die deutsche Wirtschaft mit minus 4,7 Prozent das Schlusslicht der Eurozone im vergangenen Jahr. Deutschland sei exportorientierter als Österreich. Es litt daher in der Krise stärker, aber profitiere jetzt auch mehr, meint der Konjunkturexperte Marcus Scheiblecker vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo). Das Niveau aus Vorkrisenzeiten sei allerdings noch nicht erreicht.
Österreich zieht mit
Dennoch können sich auch die österreichischen Zahlen sehen lassen. Während die Wirtschaft im ersten Quartal noch "enttäuschend" stagniert ist, gab es im zweiten Quartal ein "sehr tolles Plus von 0,9 Prozent", so Scheiblecker. Die heimischen Betriebe seien bis tief in den Herbst hinein gut ausgelastet. Fazit: Ein Plus von 1,2 Prozent für 2010. Die Ökonomen des Instituts für Höhere Studien bleiben bei ihrer Prognose von 1,5 Prozent. Unsicherheitsfaktoren bleiben jedoch, allen voran die Vereinigten Staaten: "Wenn sich aber in den USA die Lage nicht bessert, trifft es uns zum Jahreswechsel", meint Scheiblecker.
Zudem seien die Zukunftsaussichten der Unternehmer für die kommenden sechs Monate für Deutschland ungleich besser als für Österreich, eine Tatsache, die sich auch Scheiblecker nicht erklären kann.
Doch wer finanziert das Wachstum, wenn sowohl die USA als auch China (siehe unten) nicht die Impulse dazu liefern? Wie viel Konsum kann man dem Westen noch zutrauen? "Gesättigt ist man noch lange nicht. Das beste Beispiel ist die USA - beim Wohlstand eine führende Nation und dennoch nicht konsummüde", meint Scheiblecker. Denn "solange nicht jeder einen Ferrari fährt und eine Villa besitzt, kann man nicht von saturiert sprechen. Da stößt man vorher an ökologische Grenzen."