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"Besser, die Wahrheit zu sagen und zu unterliegen, als durch Lügen zu siegen." Ein frühchristlicher Aphorismus, der nicht auf Seite 1 des politischen Pflichtenheftes steht; erst recht nicht vor Wahlen. In Österreich wird derzeit schlicht nicht über Schuldenabbau gesprochen. In Deutschland gehen Unionsparteien (insbesondere CSU) und FDP einen Schritt weiter: Sie stellen gar Steuersenkungen in Aussicht. | Wie soll das funktionieren? Konjunktureinbruch, hohe Verschuldung, sinkende Einnahmen und eklatant steigende Ausgaben: Das sind nicht die Zutaten, aus denen Entlastungen gebraut werden. Praktisch alle Ökonomen sehen null Spielraum für Steuersenkungen.
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Die nackten Zahlen geben ihnen recht: Deutschlands Staatsverschuldung betrug zuletzt rund 1600 Milliarden Euro - Tendenz infolge der Krise rasch steigend: Im ersten Halbjahr 2009 sind die Einkommen- und Vermögensteuern stark eingebrochen, insbesondere die Körperschaftssteuer verzeichnete ein Minus von 46 Prozent. Dazu kommen massiv gestiegene Belastungen durch höhere Sozialleistungen, Konjunkturpakete und Bankenrettung. Ihr früheres Ziel eines ausgeglichenen Haushalts für 2011 musste Kanzlerin Angela Merkel längst opfern.
Laut Berechnungen des Finanzplanungsrates wird Deutschland bis 2013 jedes Jahr die EU-Defizit-Obergrenze von drei Prozent überschreiten. 2010 soll ein Negativrekord von sechs Prozent der Wirtschaftsleistung erreicht werden. Die Experten erwarten, dass der deutsche Schuldenberg 2013 sogar die Alptraum-Marke von zwei Billionen Euro überschreiten könnte.
Wenig überraschend haben die Wunsch-Koalitionäre CDU/CSU und FDP bisher weitgehend offen gelassen, wie sie die Entlastung finanzieren wollen. Merkel sagt dazu lediglich, sie setze auf mehr Wachstum. Dass Deutschland, dessen Wirtschaftsleistung aufgrund seiner Exportlastigkeit überdurchschnittlich eingebrochen ist, schon bald wieder mit hohen Steigerungsraten rechnen kann, ist jedoch unwahrscheinlich.
Knapp vor der Wahl ist zumindest ein Ökonom etwas aus der Phalanx der Skeptiker ausgeschert: Michael Hüther vom Kölner Institut der deutschen Wirtschaft hält im "Handelsblatt" Steuersenkungen für machbar - allerdings mit großen Abstrichen: Steuersenkungen könnten zwar belebend wirken und sogar die Finanzbasis eines Staates stärken. Dafür brauche es aber Zeit, die angesichts der massiven Defizite nicht bleibe. Für die Budgetsanierung müssten realistischerweise zehn Jahre angesetzt werden.
Aber: Eine geringere Unternehmensbesteuerung könnte sich schon kurzfristig refinanzieren. Frühestens 2012 oder 2013 könne dann an der Einkommensteuer gedreht werden.