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"Wissen kann man nicht managen"

Von Stefan Beig

Politik

Konrad-Paul Liessmann kritisiert die Wissensgesellschaft. | Wien. Unter dem Titel "Der Geist weht, wo er will. Warum man Wissen nicht managen kann" wurde am Dienstagabend im überfüllten Festsaal des Rathauses über Sinn und Unsinn der Wissensgesellschaft diskutiert. Hauptvortragender war der Wiener Philosoph Konrad-Paul Liessmann. Gegen dessen schonungslose Abrechnung mit dem Wissensmanagement unternahmen Stefan Güldenberg, Universitätsassistent an der Wiener Wirtschaftsuni, und die Sprecherin der "Plattform Wissensmanagement", Andrea Kirschbichler, einen Rettungsversuch. Veranstalter waren neben der "Plattform Wissensmanagement" die "Wiener Vorlesungen", eine Veranstaltungsreihe der Stadt Wien.


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"Du sollst alles managen!" Das ist laut Professor Liessmann der erste Grundsatz unserer säkularen Religion namens Kapitalismus. Schuldirektoren werden zu "education managers", Hausmeister zu "facility managers", und wer in der Lage sei, Wissen zu ordnen, ist Wissensmanager. Die Bezeichnung "Wissensmanager" sei Ausdruck eines radikalen Umstrukturierungsprozesses, der Wissen mit Information verwechsle.

Unsere scheinbar so wissensfreudige Wissensgesellschaft entsorge Wissen, sobald es unprofitabel ist, wie Müll. "Nicht mehr die Frage nach der Wahrheit, sondern die nach Nützlichkeit ist entscheidend." Wahres Wissen erwerbe man jedoch durch verstehendes Aneignen. "Wissen ist immer auch subjektiv." Das würden auch Studenten vergessen, die sich ihre Seminararbeiten vom Internet herunterladen. "Man kann nicht Wissen managen, sondern nur Menschen, die etwas wissen."

Liessmann: Streben nach Erkenntnis verkümmert

"Beim Wissen geht es um die Frage, was und warum etwas ist." Die für das Wissen entscheidende Frage nach der Wahrheit, das Streben nach Erkenntnis ist laut Aristoteles allen Menschen inhärent. Heute verkümmere es, so Liessmann. Absurd sind für Liessmann die Kriterien für Wissensbilanzen, die etwa an Unis auf Auslandsaufenthalte und Frauenanteil Wert legen. "Reisende, habilitierte Frauen sind das höchste Humankapital!", meinte er sarkastisch.

"Wissensmanager wollen die Zukunft sinnorientiert gestalten", konterte Güldenberg. Auch Andrea Kirschbichler hält Wissensmanagement für ein wichtiges Anliegen. Es habe Auswirkungen auf die Demokratisierung. "Wissende Menschen sind weniger leicht manipulierbar."