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Es braucht eine klare Trennung.
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Wissenschaftsskepsis ist ein objektives Problem für unsere Zukunft. Wo den Erkenntnissen von Wissenschaft und Forschung misstraut wird, bleiben Innovationskraft und Fortschritt auf der Strecke. Jüngst ist eine IHS-Studie im Auftrag des Wissenschaftsministeriums unter anderem zum Ergebnis gekommen, dass das Desinteresse an Wissenschaft in Österreich eine weitere große Herausforderung ist.
Um den Stellenwert von Wissenschaft, Forschung und Innovation in unserer Gesellschaft zu erhöhen, muss an vielen Stellschrauben gedreht werden. Eine davon ist die Vertrauensfrage: Können die Menschen der Unabhängigkeit und Objektivität von Wissenschaftern vertrauen - oder werden sie von Aktivistinnen und Aktivisten instrumentalisiert? Letzteres ist mit Blick auf das Klimathema verstärkt zu beobachten - nicht nur in Österreich. So fesselte sich voriges Jahr der US-Klimawissenschafter Peter Kalmus an die Eingangstüren einer US-Bank, die neue fossile Projekte finanziert. Er sei bereit, "ein Risiko für diesen großartigen Planeten einzugehen". Hinter den Klima- und Klebeblockaden der "Letzten Generation" in Wien steht der Politikwissenschafter Reinhard Steurer von der Boku Wien. Er nennt die Klebeblockaden "eine angemessene Notwehrreaktion von jenen, die schon heute wissen, wie groß die Katastrophe in wenigen Jahren werden wird, wenn sich unser Kurs nicht grundlegend ändert".
Nun sind moralische Selbsterhöhung und Selbstinszenierung als "Erleuchtete" das eine. Das andere, weitaus größere Problem ist freilich, dass derartiger Aktivismus im Gewand der Wissenschaft das - ohnehin prekäre - Vertrauen in Wissenschaft weiter unterminieren kann. Wissenschaft und Aktivismus müssen gerade im Interesse des Status von Wissenschaft und Forschung in unserer Gesellschaft klar getrennt und sichtbar ausgewiesen sein. Dass sich der Aktivismus gerne mit wissenschaftlichen Federn schmückt, ist wenig überraschend, weil man sich davon mehr Legitimation gerade für umstrittene Aktionen verspricht. Seriöse Wissenschaft, die ihren eigenen Stellenwert in der Gesellschaft stärken und ausbauen will, sollte sich davon aber klar distanzieren.
Die klare Trennung ist auch deshalb so wichtig, um die nötige Akzeptanz für zusätzliche Investitionen in Wissenschaft, Forschung und Innovation im Land zu sichern. Wir brauchen Wissenschaft und Innovationskraft mehr denn je, um Technologien und Lösungen zu entwickeln, die unser Klima weltweit und unser Lebensmodell in Europa wirklich schützen und fit für die Zukunft machen. Denn so wirkt Wissenschaft am besten. Das sollten wohl auch jene Wissenschafterinnen und Wissenschafter zur Kenntnis nehmen, die sich unter dem Motto "#WirAlleSindDieLetzteGeneration" mit den Blockade- und Klebeaktionen der
"Letzten Generation" solidarisieren - und auch weitere Berufsgruppen auffordern, es ihnen gleichzutun.
Die in der Solidaritätsadresse artikulierten Phrasen wie "Ziviler Widerstand ist der unüberhörbare Feueralarm für eine schlafwandelnde Gesellschaft in einer brennenden Welt" sind leider nur leere Phrasen. Auf diesem Niveau ist weder vernünftigem Klimaschutz noch der Akzeptanz von Wissenschaft und Forschung geholfen. Beides brauchen wir dringender denn je.