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Wissenschaft sucht neues Geld

Von Eva Stanzl und Petra Tempfer

Wissen

Forschungsfinanzierung müsste um 200 Millionen Euro jährlich steigen.


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Wien. "Lasst uns beginnen, Zeit ist Geld, und davon haben wir zu wenig", sagte Hannes Androsch, Vorsitzender des Forschungsrats, am Mittwoch unmittelbar vor dem Start der Pressekonferenz zur Finanzierung der Universitäten und der Forschung bis zum Jahr 2020. Gemeinsam mit Vertretern des Wissenschaftsfonds FWF, der Forschungsförderungsgesellschaft FFG und der Universitäten forderte er einmal mehr Maßnahmen zur besseren Finanzierung des Hochschulsektors und der Gesamtausgaben für Forschung und Entwicklung (F&E) und plädierte für ein "Jahrzehnt der Priorität für Universitäten und Forschung".

Konkretes Ziel ist, bis 2020 eine F&E-Quote von 3,76 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erreichen. In Zahlen wäre dazu eine Steigerung der Finanzierung um 200 Millionen Euro jährlich nötig. 2020 würden F&E dann mit 15,3 Milliarden Euro finanziert. Im Vergleich mit den Nachbarländern wäre das laut Androsch immer noch wenig. "Die Schweiz hat das doppelte Budget für halb so viele Universitäten", sagte er. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, brauche es mehr Investitionen in die Grundlagenforschung. Das bedeutet: Die Indexanpassung müsse gesichert, und die Mittel für Studienplatzfinanzierung sowie Infrastruktur müssten erhöht werden.

Wie aber das "durchaus sportliche Ziel", wie es FFG-Geschäftsführer Klaus Pseiner bezeichnete, erreichen? Mit mehr Geldern aus dem privaten Sektor, so die Antwort. Derzeit liegt der Anteil bei 60 Prozent, der Rest kommt von der öffentlichen Hand. "Das sind keine Almosen, sondern eine Investition in die Zukunft", sagte Pseiner.

Österreich hat mit 2,81 Prozent die fünfthöchste Forschungsquote der EU. Im Vergleich zu anderen Ländern wird aber ein überproportionaler Anteil durch die öffentliche Hand finanziert (40 Prozent). Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner will mehr Geld aus dem privaten Sektor für Universitäten lukrieren. Zudem will er die Konditionen für gemeinnützige Stiftungen überarbeiten.

Gemeinnützige Stiftungen

Laut Regierungsprogramm soll ein Rechtsrahmen für "gemeinnützige Stiftungen mit steuerlicher Anreizwirkung für Investitionen in Forschung und Technologie" geschaffen werden. So könnten Finanzierungslücken - zumindest teilweise - geschlossen werden. Der Verband für Privatstiftungen beziffert das gesammelte Vermögen in den rund 3400 österreichischen privaten Stiftungen mit 80 bis 100 Milliarden Euro. Allerdings fließt aus ihnen kaum Geld in die Forschung. Einerseits fehle die Tradition, andererseits seien die Rahmenbedingungen nicht angemessen, war der Tenor bei einer Diskussion des Forschungsrats und des Fundraising Verband Austria am Dienstagabend.

Anders als in anderen europäischen Ländern darf eine österreichische Privatstiftung auch einen rein privatnützigen Zweck verfolgen. "Private Stiftungen wurden hierzulande im Wesentlichen dazu eingerichtet, Vermögen in inländischer Hand zu halten. Sie können zwar auch gemeinnützig sein, wie die Essl Foundation. Aber diese Stiftungen spielen mit einem Anteil von sechs Prozent nur eine Nebenrolle", weil der steuerliche Anreiz fehle, fasst der Fundraising Verband in den "Zahlen, Daten, Fakten" zum Thema zusammen.

Grundsätzlich können Spenden bis zu maximal zehn Prozent des Jahresertrages des Spenders von der Steuer abgesetzt werden. Bei Privatstiftungen kommt diese Abzugsfähigkeit aber de facto nicht zum Tragen. Deren Kapitaleinkünfte sind mit einer "Zwischensteuer" von 25 Prozent belastet. Werden Stiftungsgelder zugewendet, fällt die Kapitalertragssteuer an, die mit der Zwischensteuer gegengerechnet wird. Will ein Stifter an Sozial-, Kultur- oder Forschungseinrichtungen spenden, fällt keine KESt an. Die "Zwischensteuer" wird allerdings nur bei KESt-pflichtigen Zuwendungen rückerstattet - gerade Spender müssen sie also in voller Höhe leisten. Diese Bedingungen seien "abweisend bis verbietend", sagte Androsch bei der Diskussion.

Der Industrielle weiß, wovon er spricht. 2004 hatte Androsch eine Stiftung bei der Akademie der Wissenschaften eingerichtet. Der einzige Forscher, der mit dem daraus gespeisten Preis prämiert wurde, war der Ökonom Markus Knell. Danach erkannte das Finanzamt der Stiftung die Gemeinnützigkeit ab. Wegen bürokratischer Hindernisse habe er das Projekt "zum Stillstand gebracht", so Androsch.

Gemeinnützige Stiftungen in Deutschland schütten dagegen jedes Jahr das Vermögen von 15 bis 17 Milliarden Euro aus. 12 Prozent gehen an Wissenschaft und Forschung, 15 Prozent an die Bildung, erläuterte der Generalsekretär des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft, Andreas Schlüter. Für die Schweiz schätzt der Leiter des Centre for Philanthropy Studies der Uni Basel, Georg von Schnurbein, dass jährlich 400 Millionen Euro aus Privatstiftungen kommen. Wegen der großzügigen Finanzierung der Grundlagenforschung durch die öffentliche Hand seien Stifter aber eher "Nischenplayer".

In Österreich ordnet man eine solche Summe ganz anders ein. "400 Millionen wären der absolute Wahnsinn", sagte FWF-Geschäftsführerin Dorothea Sturn. Sie fürchte nur, dass man selbst bei günstiger Steuergesetzgebung hier nicht sofort auf eine solche Summe kommen würde. Die Präsidentin des Fundraising Verbands, Monica Culen, sieht es anders: "Statt wie derzeit 20 bis 25 Millionen Euro könnten jährlich eine Milliarde Euro an gemeinnützigen Stiftungsausschüttungen in Bildung, Forschung, Kultur oder Soziales fließen", sagte sie.

Die Arbeitsgruppe für die Umsetzung der FTI-Strategie würde die Konditionen für gemeinnützige Stiftungen nun prioritär behandeln, versprach Sektionschefin Barbara Weitgruber vom Wissenschaftsministerium.