Eine Kampagne fordert, die Schweiz und Großbritannien wieder in das Förderprogramm Horizon Europe aufzunehmen.
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Wissenschaft, also unser gesammeltes Wissen, wird in der Zivilisationsgeschichte über Generationen weitergegeben. Sie überwindet eigentlich jede Grenze über die internationale Zusammenarbeit. Wie wichtig diese für die Menschheit ist, zeigt die weltweite Kooperation in der Erforschung des Coronavirus zur Bewältigung der Pandemie. Es nimmt somit nicht wunder, dass Forschende aus ganz Europa sich gegen Einschränkungen und Blockaden wehren, die sie als Folge von politischen Entscheidungen und Konflikten zu tragen haben.
Mit der Kampagne "Stick to Science" (Bleib bei der Wissenschaft) fordern Wissenschafter aus dem europäischen Forschungsraum, Kollegen aus den Nicht-EU-Mitgliedsländern Schweiz und Großbritannien nicht länger aus dem Förderprogramm Horizon Europe auszuschließen. Die Kampagne wurde bei der Online-Konferenz "Science without Borders" des Netzwerks Science Business präsentiert. Zu den Initiatoren zählen zwölf Nobelpreisträger und das Who is Who von Wissenschaftsmanagement und -forschung Europas.
Größtes Förderprogramm
Mit einem Fördervolumen von 100 Milliarden Euro ist Horizon Europe das größte Forschungsförderungsprogramm der Welt. Die Teilnahme der Schweiz und Großbritanniens ist derzeit blockiert. Beide Länder haben, anders als Israel oder die Färöer Inseln, den Status nicht-assoziierter Drittstaaten bei Horizon Europe, obwohl sie zu den forschungsstärksten Nationen des Kontinents zählen. Forschende aus diesen Ländern können sich bei der EU nicht mehr für Einzelprojekte, die als die "Champions League der Wissenschaft" gelten, bewerben.
Für die Eidgenossen ist das Rahmenabkommen EU-Schweiz, das die Bedingungen für die Zusammenarbeit regeln sollte, im Mai des Vorjahres gescheitert. Zu den Gründen zählten Unstimmigkeiten bezüglich der Personenfreizügigkeit. Großbritannien wiederum ist seit dem 2016 beschlossenen und 2020 vollzogenen Brexit ohne Abkommen. Zunächst war der Status als assoziiertes Land angedacht. Ähnlich wie früher die Schweiz sollten auch England, Schottland und Wales direkt ihre Beiträge in das Rahmenprogramm einzahlen, um diese bis zur Beitragsgrenze entnehmen zu können. Bisher konnte jedoch noch nichts verhandelt werden, die Zukunftsperspektiven von auf der Insel tätigen Wissenschaftern aus der EU bleibt in Schwebe.
"Barrierefreie Zusammenarbeit"
Die Unterzeichner der Initiative fordern eine "barrierefreie Zusammenarbeit zwischen europäischen Akteuren in Wissenschaft und Innovation, die die gleichen Werte teilen". Sie fordern die Staats- und Regierungschefs der EU auf, die wissenschaftliche Zusammenarbeit über die Politik zu stellen. Fortschritt könnte nur dann bestens vorankommen, wenn über geografische Grenzen kollaboriert würde. "Angesichts globaler Herausforderungen ist das so wichtig wie noch nie", ist in den Positionen zu lesen.
"Der Wettbewerb wird besser, wenn starke Player mitmachen", sagt die Wissenschaftsforscherin Helga Nowotny zur "Wiener Zeitung". "Die Schweiz steht ganz vorne im Bereich Quantencomputer und -kryptografie. Mit wem tun wir uns sonst zusammen, wenn wir ein forschungsstarkes Europa wollen? Als Drittstaat geht Zusammenarbeit nicht auf, da die Hürden der Bürokratie zu hoch sind", so die frühere Präsidentin des Europäischen Forschungsrats (ERC).
Die derzeitige ERC-Präsidentin, Maria Leptin, formulierte es bei der Konferenz so: "Meinungs- und Bewegungsfreiheit sind menschliche Grundrechte, sie sind nicht zu kompromittieren." Die Ziele von Strategiepolitik dürften die Personenfreizügigkeit in der Forschung nicht beschränken.