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In früheren Jahrhunderten erzählten Menschen, die nicht einschlafen konnten, einander Märchen. Heute vertreibt das Fernsehen die Unruhe, die einen in schlaflosen Nächten befällt.
In der Nacht von Montag auf Dienstag schaltete ich das Zukunftsmagazin "nano" an, das um 0.55 Uhr auf 3sat begann. Die Sendung schien auf den ersten Blick nicht gerade ein Schlafmittel zu sein. Schweizer Geologen berichteten von ihren Versuchen, "Murgänge" berechenbar zu machen, dann wurde ein Chip vorgestellt, der es gelähmten Menschen ermöglicht, einen Computer mit Gedankenkraft zu bedienen. Er wird ins Gehirn eingesetzt und überträgt Denkströme auf den Bildschirm.
So ging es weiter: Ein Fortschritt nach dem anderen. Es fielen Sätze wie "Das Unsichtbare sichtbar zu machen, ist ein Verdienst der modernen Wissenschaft" oder: "Moderne Teleskope spüren Objekte auf, die Tausende von Lichtjahren entfernt sind." Dazu wurden im Off die pathetischen Anfangstakte der symphonischen Dichtung "Also sprach Zarathustra" gespielt.
Diese kritiklose Feier der "modernen" Wissenschaft und ihrer Errungenschaften führte schließlich dazu, dass ich mich mit dem Gefühl ins Bett legte, mir könne nichts geschehen, wenn die Spitzenforschung so gut für mich sorgt. Aber wer weiß: Vielleicht hätte ja das Märchen vom Froschkönig denselben beruhigenden Effekt erzielt . . .