Recht gilt auch zwischen Betrieben. | Sogar Dienstleistungen umfasst. | Verkürzung der Frist möglich. | Wien. Auch vier Jahre nach Einführung des neuen Gewährleistungsrechts scheint das Thema für einige Unternehmer noch immer ein Buch mit sieben Siegeln zu sein. Seit 1. Jänner 2002 gilt nun die novellierte Gewährleistung, also das Einstehen für Mängel einer Lieferung. Die wesentlichsten Veränderungen sind die Verlängerung der Anspruchsfrist von sechs Monaten auf zwei Jahre und die Beweislastumkehr zu Gunsten des Kunden innerhalb des ersten halben Jahres. Es wird bei der Reklamation also vorausgesetzt, dass der Mangel schon bei Übergabe vorhanden war.
"Manche Firmen glauben, dass die verlängerte Gewährleistungsfrist nur gegenüber dem Konsumenten gilt", sagt Günther Feuchtinger, Jurist der Wiener Wirtschaftskammer (WKW). Dabei sind Betriebe untereinander ebenfalls an die Zwei-Jahres-Frist gebunden - sofern vertraglich keine kürzere Dauer vereinbart wird. Dies ist "B2B" (also zwischen Unternehmen) erlaubt, aber nicht immer leicht festzuschreiben, wie Feuchtinger weiß: "Wenn ein Kleinbetrieb an einen Konzern liefert und die Gewährleistungsfrist verkürzen will, wird es schwer."
Ein gänzlicher Ausschluss der Gewährleistung ist jedoch auch unter Geschäftsleuten nicht möglich, da sittenwidrig. Die Frage nach einer Mindestdauer ist noch nicht ausjudiziert, der WKW-Jurist würde die Untergrenze mit etwa vier Wochen ansetzen. Was hingegen unter Kaufleuten vertraglich eliminiert werden kann, ist die Beweislastumkehr zu Gunsten des Käufers. Apropos Käufer: Das novellierte Gewährleistungsrecht gilt nicht nur für Warenkäufe, sondern auch für die Erbringung von Dienstleistungen - eine Frage, die Feuchtinger noch heute gestellt wird.
Auch im Bereich der Mängelbehebung besteht noch keine restlose Klarheit seitens der Unternehmerschaft. Wie viele Reparaturversuche muss ich als Firmenkunde hinnehmen, bis ich selbst vom Vertrag zurücktreten kann? "Zwei bis drei ist die Faustregel", bemisst der WKW-Jurist, um jedoch gleich ein Gegenbeispiel zu nennen: "Die Lieferung einer betrieblich wichtigen Software etwa muss schneller erfolgen."
Garantie ist nicht Gewährleistung
Der Unterschied zwischen Gewährleistung und Garantie scheint ebenfalls nicht allen Firmen geläufig zu sein. "Da kann es böse Überraschungen geben", weiß Feuchtinger. Gibt etwa ein Unternehmer einem Firmenkunden sechs Monate Garantie auf seine Ware, so hat er immer noch eineinhalb Jahre gesetzliche Gewährleistung "abzudienen". Um dem zu entgehen, müsste er die Formulierung "sechs Monate Gewährleistung" wählen. Eine Prozess-lawine hat die Gesetzesnovelle aber nicht ausgelöst. Damit das so bleibt, appelliert Feuchtinger an die Einsicht der Betriebe. "Bitte vergleichen Sie sich."
Fragen und AntwortenGilt die zweijährige Gewährleistungsfrist auch unter Betrieben?
Ja. Sie kann jedoch vertraglich verkürzt werden. Eine Untergrenze ist allerdings nocht nicht ausjudiziert. Wer dies tun will, darf nicht das Wort "Garantie" verwenden, sondern muss ausdrücklich von "Gewährleistung" sprechen.
Kann die Gewährleistungsfrist unter Firmen gänzlich ausgeschlossen werden?
Nein, denn dies wäre sittenwidrig.
Kann die Beweislastumkehr unter Firmen ausgeschlossen werden?
Ja.
**Fallstrick "UN-Kaufrecht"
Sollte einem Betrieb aus einer mangelhaften Lieferung zusätzlich ein Schaden entstanden sein, so kann dieser nach den Regeln des Schadenersatzrechts geltend gemacht werden. Aber auch hier lauern versteckte Gefahren. Eine nennt sich "UN-Kaufrecht", eine Vereinbarung unter rund 60 Ländern weltweit, der unter anderem die meisten EU-Staaten beigetreten sind.
Im Unterschied zum österreichischen Recht existiert hier ein Schadenersatzanspruch unabhängig vom Verschulden des Schädigers. Dazu ein realer Fall: Ein österreichischer Winzer kaufte von einem deutschen Großhändler ein Rebenschutzmittel, das nicht nur nicht funktionierte, sondern seine Weinstöcke zerstörte. Die deutsche Firma hatte das Mittel von einem englischen Hersteller bezogen, somit den Schaden nach österreichischem Recht mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht schuldhaft verursacht. Der heimische Winzer klagte und bekam Recht: Obwohl österreichisches Vertragsrecht vereinbart worden war, galt UN-Kaufrecht.
Warum? Letzteres war nicht explizit ausgeschlossen worden. "Ich rate heimischen Zwischenhändlern immer, UN-Kaufrecht vertraglich auszuschließen", sagt Wirtschaftskammer-Jurist Günther Feuchtinger.