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Dank massiver Wahlmanipulation ist es Wladimir Putin am Sonntag gelungen, sich und seiner Partei "Einiges Russland" im neuen Parlament die Zwei-Drittel-Mehrheit - und damit die erforderliche Mandatszahl für Verfassungsänderungen - zu sichern.
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Der ganz große Wahltriumph jenseits der 70-Prozent-Marke, den sich Putin beim Referendum erhofft hatte, wurde es nicht; dennoch werden er und sein Büroleiter Igor Setschin das Resultat in den kommenden Wochen landauf, landab als moralische Legitimität interpretieren, Russlands Politik auch nach der Kür eines neuen Präsidenten im März 2008 zu lenken. Denn Russlands Verfassung verbietet Putin eine dritte Amtszeit in direkter Folge.
In welcher Funktion Putin seine eigene politische Zukunft sichern und die künftigen Geschicke des Landes kontrollieren wird, diese Frage ließ der mächtige Ex-Geheimdienstchef bisher bewusst offen. Auch nach der Wahl am Sonntag verlor er kein Wort über seine weiteren Pläne.
Denn innerhalb der neuen Machtelite, eines Klüngels aus befreundeten Geheimdienstlern, die Putin seit Beginn seiner Amtszeit vor knapp acht Jahren sukzessive auf die - nicht zuletzt wegen der grassierenden Korruption überaus lukrativen - Spitzenposten in Politik und Wirtschaft gehievt hat, tobt ein heftiger Kampf um Macht und Einfluss. Die einzelnen Gruppen der Kreml AG fürchten im Falle eines Wechsels an der Staatsspitze um ihre Pfründe.
Die Verhaftung des zum wirtschaftsliberalen Flügel zählenden Vize-Finanzministers Sergej Stortschak wegen Verdachts auf Unterschlagung von Staatsgeldern ist ebenso Zeichen dieses internen Krieges wie die Festnahme eines Teils der Führungsriege in der Anti-Drogen-Behörde durch Mitglieder des Inlandsgeheimdienstes FSB.
Putin droht die Kontrolle des mühsam aufgebauten Gleichgewichts der Kräfte zu entgleiten. Er lässt sich deshalb nicht in die Karten blicken, wen er als Nachfolger zu nominieren gedenkt. Offen sind somit weiterhin alle Optionen: Putin könnte den Posten des künftigen Premiers übernehmen, was ihn aber quasi aller Machtbefugnisse berauben würde; Fraktionsführer von "Einiges Russland" in der Duma werden, wo er noch weit weniger zu sagen hätte; eine Spitzenposition beim staatlichen Gazprom-Konzern übernehmen oder mittels der gesicherten Verfassungsmehrheit in der Duma für sich einen neuen Posten - à la Deng Xiaoping - als nationaler Führer mit großen Machtbefugnissen erfinden. Schließlich, und diese Möglichkeit wird als sehr realistisch betrachtet, könnte sich Putin - dank eines Schlupflochs im Wahlgesetz - doch noch für eine dritte Amtszeit bewerben. Er müsste nur sein Präsidentenamt in den nächsten zwei Wochen niederlegen.
Einige Beobachter in Russland sind davon überzeugt, dass Zar Putin selbst noch nicht weiß, wie er sich entscheiden wird.