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Wladimir Putins genialer Coup

Von Waldemar Hummer

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Waldemar Hummer ist Universitätsprofessor für Europa- und Völkerrecht an der Universität Innsbruck. Foto: privat

Mit der Gründung des "Instituts für Demokratie und Zusammenarbeit" ist Putin ein genialer Coup gelungen, der unter anderem auch die EU in Verlegenheit bringen wird.


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Am letzten Gipfeltreffen EU-Russland am 26. Oktober 2007 kündigte der scheidende russische Präsident Wladimir Putin die Gründung eines "Instituts für Demokratie und Zusammenarbeit" an, was vom portugiesischen Ratsvorsitzenden José Sócrates "als Schritt in die richtige Richtung" gewürdigt wurde.

Diese Aussage kann entweder nur als bloße diplomatische Floskel, oder aber als völliges Missverständnis der dahinter stehenden politischen Absicht des russischen Noch-Präsidenten gedeutet werden. In Wahrheit will Moskau mit dieser Einrichtung die Menschenrechtslage und die Minderheitensituation in den westlichen "Vorzeigedemokratien" kritisch unter die Lupe nehmen und damit zu seiner eigenen Entlastung beitragen.

Zweierlei Maß?

Russland steht seit vielen Jahren wegen der Verletzung von Menschenrechten und Minderheitenschutzbestimmungen am Pranger. Gerade vor der Präsidentenwahl am 2. März dieses Jahres musste Russland beinahe täglich neue Kritik an seinem Umgang mit Grund- und Menschenrechten hinnehmen. So kritisierte das "Büro für Demokratie und Menschenrechte" der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) unter anderem Einschränkungen für Wahlbeobachter. Regierungskritiker beklagten Einschüchterungsversuche durch die Sicherheitsbehörden und wiesen auf eine staatliche Zensur der Medien hin.

Am Gerichtshof der Europäischen Menschenrechtskonvention in Straßburg waren Ende 2007 gegen Russland rund 20.300 Menschenrechtsbeschwerden anhängig - so viele wie gegen keinen anderen der 47 Mitgliedstaaten des Europarates.

Nach russischer Ansicht hat aber weder ein Staat, noch die organisierte westliche Staatengemeinschaft das Monopol auf die Definition von Demokratie und Menschenrechtsschutz. Russland wirft dem Westen vor, in Sachen Demokratie und Menschenrechtsschutz mit zweierlei Maß zu messen und verbittet sich jedwede diesbezügliche Einmischung. Im Übrigen weist es auf die deplorable Minderheitensituation in manchen westlichen Staaten und die Übergriffe der Polizei gegen Demonstranten hin.

Als "strategische Speerspitze" zur Dokumentierung von Menschen- und Minderheitenrechtsverletzungen (auch) im Westen wurde nun von russischen Wirtschaftstreibenden das "Institut für Demokratie und Zusammenarbeit" mit Sitz in Moskau und Filialen in New York und Paris eingerichtet, das von sich behauptet, politisch unabhängig zu sein.

Wie der Kreml-nahe Initiator dieses Projekts, der Jurist Anatoli Kutscherena, bestätigt, wird sich das Institut neben Menschenrechts- und Minderheitenfragen auch der Behandlung von Sicherheitsfragen widmen. Die ehemalige Abgeordnete zur Duma, Natalja Narotschnitskaja, die das Institut in Paris leitet, beeilt sich, hinzuzufügen, "dass uns die Lage der russischen Minderheiten in den baltischen Staaten seit langem Kopfzerbrechen bereitet".

Der Leiter der New Yorker Filiale wiederum hat sich vorgenommen, "die US-Präsidentenwahl auf die Einhaltung demokratischer Standards hin zu untersuchen und Menschenrechtsverletzungen im Anti-Terror-Kampf der USA aufzuzeigen".

Unter dem Deckmantel wissenschaftlicher Studien eines politisch unabhängigen Institutes sind daher bald Untersuchungen zu erwarten, die so manchen westlichen Staat in Verlegenheit bringen werden. Die Widerlegung solcher Expertisen wird nicht einfach und vor allem von einer großen Medienöffentlichkeit begleitet sein.

Russland hat damit ein Instrument für ein unangenehmes Monitoring der westlichen Menschenrechtsstandards geschaffen.