Für Zuwanderer und Großfamilien soll es weniger Geld geben. Der Zugriff auf Vermögen bleibt weitgehend aufrecht.
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Wien. Weniger Mindestsicherung, vor allem für Ausländer und Asylberechtigte ohne Deutschkenntnisse, weniger Geld für Paare und Großfamilien; hingegen bleibt der koalitionsintern umkämpfte Vermögenszugriff auf Erspartes weitgehend unverändert aufrecht, für die eigene Wohnung wird die Schonfrist ausgeweitet. Das sieht die Einigung der ÖVP-FPÖ-Bundesregierung zur Reform der Mindestsicherung vor, über die monatelang verhandelt worden ist.
Die Kernpunkte des Grundsatzgesetzes zur Mindestsicherung werden heute, Mittwoch, im Ministerrat abgesegnet. Die türkis-blaue Koalition macht damit den Ländern bundesweit einheitliche Vorgaben für die Mindestsicherung.
Nach einer Begutachtung bis Jänner kommenden Jahres soll das Grundsatzgesetz ab April 2019 gelten. Tatsächlich zum Tragen soll es ab 1. Oktober 2019 kommen, weil die Länder bis dahin Zeit für die Ausführungsgesetze erhalten. Betroffen von der Reform sind Neuanträge für eine Mindestsicherung. Noch offen ist die Höhe der Einsparungen.
Ohne gute Deutschkenntnisse weniger Geld
Eckpfeiler der Neuregelung wurden bereits bei der Regierungsklausur Ende Mai in Mauerbauch gesetzt. Bei den Kürzungen zielt die Bundesregierung speziell auf Ausländer und Asylberechtigte. Künftig werden ausreichende Deutschkenntnisse oder ein Pflichtschulabschluss als "Arbeitsqualifzierungsbonus" Voraussetzung für den Bezug der vollen Höhe der Mindestsicherung sein, die für Alleinstehende maximal 863 Euro im Monat ausmachen wird.
Kann jemand keine Deutschkenntnisse auf dem Niveau B 1 nachweisen oder Englischkenntnisse auf dem höheren Niveau C 1, so erhält er künftig pro Monat um 300 Euro weniger Mindestsicherung, also maximal 563 Euro. Allerdings müssen die Länder die Möglichkeit für Deutschkurse schaffen. Für Österreicher ohne Pflichtschulabschluss ist eine Vorsprache bei der Behörde nötig.
Hintergrund ist, dass 2017 im Jahresschnitt 222.000 Personen Mindestsicherung bezogen haben, davon waren die Hälfte Ausländer. Rund ein Drittel der Bezieher der Mindestsicherung waren anerkannte Flüchtlinge sowie subsidiär Schutzberechtigte.
Für EU-Bürger und Drittstaatsangehörige außerhalb der EU gibt es eine Wartefrist von fünf Jahren rechtmäßigem Aufenthalt in Österreich auf die Mindestsicherung (ausgenommen jemand hat schon hier gearbeitet). Bei Drittstaatsangehörigen sind aber Asylberechtigte ausgenommen, für die künftig die Regelung mit den Deutschkenntnissen zum Tragen kommt.
Den Bundesländern wird Spielraum eingeräumt. Sie sollen regeln können, wie hoch die Wohnkosten als Sachleistung bei den 863 Euro angerechnet werden, die nach dem Wunsch des Bundes direkt von den Ländern bezahlt werden. Wunschziel wären 40 Prozent Sachleistung.
Das Grundsatzgesetz sieht auch vor, dass die 863 Euro wegen der Wohnkosten bis zu maximal 30 Prozent überschritten werden dürfen. Damit wird Rücksicht genommen auf höhere Wohnkosten etwa in Städten.
Einschränkungen sind für Großfamilien mit mehreren Kindern vorgesehen. Es wird aber keine fixe Obergrenze von 1500 Euro geben, wie sie im März in Niederösterreich vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben worden ist.
Statt dessen ist eine Einschleifregelung mit Maximalsätzen vorgesehen, die Länder können auch niedrigere Sätze beschließen: für das erste Kind 25 Prozent von 863 Euro Mindestsicherung, für das zweite 15 Prozent, ab dem dritten Kind fünf Prozent. Das sind rund 215 Euro beim ersten Kind, 129 Euro für das zweite Kind, und und dem dritten Kind 43 Euro. Das dürfte im Regelfall ab dem zweiten Kind weniger Geld als bisher bedeuten.
Um Kritik vorzubeugen, soll es jedoch für Alleinerzieherinnen einen Bonus bei der Mindestsicherung geben: beim ersten Kind zusätzlich zwölf Prozent zum sonstigen Betrag für ein Kind, nochmals neun Prozent mehr beim zweiten, sechs beim dritten und drei Prozent ab dem vierten Kind. Für Paare gibt es künftig mit gemeinsam maximal 1208 Euro um zehn Prozent weniger Mindestsicherung.
In einem zwischen den Koalitionsparteien heftig umstrittenen Punkt bleibt nun der bisherige Zugriff auf Barvermögen bei Beziehern der Mindestsicherung aufrecht, die Grenze für den Vermögenszugriff wird aber erhöht. Das bedeutet, dass Menschen vor dem Bezug der Mindestsicherung zuerst ihre Ersparnisse bis zu rund 5200 Euro statt bisher rund 4300 Euro aufbrauchen müssen. Bei der eigenen Wohnung wird der Behörde die Möglichkeit zur Sicherstellung im Grundbuch mit der Neuregelung aber erst nach einer Schonfrist von drei Jahren statt bisher sechs Monaten eingeräumt.
Mit dem Festhalten am Vermögenszugriff auf Erspartes hat sich die ÖVP in einer wichtigen Frage gegenüber dem Koalitionspartner FPÖ durchgesetzt. Die Freiheitlichen wollten dem Vernehmen nach bei einem Teil der sogenannten "Aufstocker" einen Wegfall des Vermögenszugriffes erreichen. Damit sollte der Anreiz, wieder zu arbeiten, erhöht werden.
Bei "Aufstockern" wird ein geringes Erwerbseinkommen oder eventuell auch ein niedriges Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe mit der Mindestsicherung als Ergänzung (oder Differenzbetrag) auf den monatlichen Maximalbetrag von künftig 863 Euro ausbezahlt. Darunter fällt ein Großteil der Bezieher der Mindestsicherung.
Länder gegen Wegfall von Zugriff auf Vermögen
Gegen einen Wegfall des Vermögenszugriffs gab es vor allem auch in den Bundesländern Widerstände. In den Ländern wurde befürchtet, dass es künftig wesentlich mehr Anträge auf Mindestsicherung gestellt werden, wenn potenzielle Antragssteller nicht mehr von einem Vermögenszugriff abgeschreckt werden. Mit einer größeren Zahl an Beziehern der Mindestsicherung wären für die Bundesländer, die die Ausgaben für die frühere Sozialhilfe tragen, auch höhere Kosten verbunden.
Die Gesamtkosten für die Mindestsicherung lagen österreichweit im Vorjahr bei rund 977 Millionen Euro. Der mit Abstand größte Brocken davon entfiel mit 638 Millionen Euro auf Wien.
Mit einer weiteren Maßnahme will die türkis-blaue Koalition dafür sorgen, dass arbeitsfähige Bezieher einer Mindestsicherung möglichst rasch wieder ins Erwerbsleben einsteigen. Zu diesem Zweck sind strengere Sanktionen als bisher für Personen vorgesehen, die die Aufnahme von Arbeit verweigern.
Schließlich ist im Zuge der Reform der Mindestsicherung noch eine Änderung festgelegt worden, die mit einem eigenen Gesetz vorbereitet wurde. Demnach soll die Bundesregierung künftig jeweils vierteljährlich mehr Daten als bisher über die Bezieher der Mindestsicherung erhalten. Bundesländer, Sozialversicherungsträger und Arbeitsmarktservice (AMS) müssen genauere Angaben über Alter, Geschlecht, Höhe und Dauer der Bezüge und auch Angaben über den aufenthaltsrechtlichen Status (etwa als Asylberechtigte) sowie über die Herkunft und einen etwaigen Migrationshintergrund sammeln.
Insgesamt haben im vergangenen Jahr 307.853 Personen österreichweit Mindestsicherung bezogen. Im Gegensatz zum Trend früherer Jahre ist damit deren Zahl nur mehr geringfügig um 0,1 Prozent gegenüber 2016 gestiegen. Ein Hauptgrund für diese Entwicklung waren die verbesserte wirtschaftliche Situation und der damit verbundene Rückgang der Arbeitslosigkeit. Die Kosten lagen im Vorjahr laut Statistik Austria bei 977,4 Millionen Euro gegenüber 924,2 Millionen Euro 2016.
Gegen einen Wegfall des Vermögenszugriffs gab es vor allem auch in den ÖVP-geführten Bundesländern Widerstände. In den Ländern wurde befürchtet, dass künftig wesentlich mehr Anträge auf Mindestsicherung gestellt werden, wenn potenzielle Antragssteller nicht mehr von einem Vermögenszugriff abgeschreckt werden. Mit einer größeren Zahl an Beziehern der Mindestsicherung wären für die Bundesländer, die die Ausgaben für die frühere Sozialhilfe tragen, auch höhere Kosten verbunden.
Die Gesamtkosten für die Mindestsicherung lagen österreichweit im vergangenen Jahr bei rund 977 Millionen Euro. Der mit Abstand größte Brocken davon entfiel mit 638 Millionen Euro auf Wien.
Mit einer weiteren Maßnahme will die türkis-blaue Koalition dafür sorgen, dass arbeitsfähige Bezieher einer Mindestsicherung möglichst rasch wieder ins Erwerbsleben einsteigen. Zu diesem Zweck wird im Grundsatzgesetz festgeschrieben: Es muss Sanktionen für Personen geben, die die Aufnahme von Arbeit verweigern. Das Ausmaß müssen allerdings die Länder festlegen.
Schließlich ist im Zuge der Reform der Mindestsicherung noch eine Änderung festgelegt worden, die mit einem eigenen Gesetz vorbereitet wird. Demnach soll die Bundesregierung künftig jeweils vierteljährlich mehr Daten als bisher über die Bezieher der Mindestsicherung erhalten. Bundesländer, Sozialversicherungsträger und Arbeitsmarktservice (AMS) müssen genaue Angaben über Alter, Geschlecht, Höhe und Dauer der Bezüge und auch Angaben über den aufenthaltsrechtlichen Status (etwa als Asylberechtigte) sowie über die Herkunft und einen etwaigen Migrationshintergrund sammeln.
Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) hat am Dienstag in Brüssel rund um die Einigung zur Mindestsicherung bekräftigt, dass die Notstandshilfe bestehen bleibt. Diese bleibe "auch im System eines Arbeitslosengeldes Neu erhalten und wird nicht abgeschafft". Allerdings ist die Reform des Arbeitslosengeldes und damit auch der Notstandshilfe nicht gleichzeitig mit der Mindestsicherung geplant, sondern soll erst im kommenden Jahr von der Bundesregierung vorgenommen werden.
Kritiker warnen vor "Armutsfalle" für Kinder
Kritiker der Regierungspläne befürchten, dass durch die geplanten Kürzungen vor allem Kinder in der Armutsfalle landen. "Wenn die Bundesregierung die Mindestsicherung reformiert, dann ist mein Appell und meine Bitte: Kinderarmut und Altersarmut dürfen nicht steigen in Österreich", warnte Caritas-Präsident Michael Landau via Facebook. Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser zeigte sich verwundert, dass in Zeiten guter Konjunktur mit Spielräumen im Budget über Einsparungen beim untersten sozialen Netz diskutiert wird.