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Wien - Der Bischof von Banja Luka, Franjo Komarica, geht mit der Politik der Internationalen Staatengemeinschaft in seiner Heimat Bosnien-Herzegowina hart ins Gericht. Er wirft insbesondere den Politikern mangelndes Interesse an der Rückkehr der Vertriebenen und am Wiederaufbau der von den Kriegswirren gezeichneten Region vor.
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Fast sieben Jahre nach dem Friedensabkommen von Dayton sind von den 70.000 aus der Diözese Banja Luka vertriebenen Kroaten erst 1794 wieder zurückgekehrt. "Das sind sehr wenige", zeigte sich Komarica bei einer Pressekonferenz im Presseclub Concordia in Wien besorgt. In anderen Teilen der ethnisch wie religös auch heute noch tief gespaltenen Republika Srpska ist die Situation nicht anders: 5.000 der 220.000 Geflüchteten kehrten heim, nur jeder 44ste.
In ihre Häuser sind andere eingezogen, neue gibt es kaum, das macht neben alten ehnischen Feindschaften die Heimkehr so schwer. Die Rückgabe verläuft äußerst schleppend: Seit Juni 1997 wurden in und um Banja Luka von 3094 Ansuchen um Retournierung von Wohneigentum 586 beantwortet, wie der Bischof, Verfechter eines friedlichen Miteinander der verschiedenen Völker- und Religionsgemeinschaften, erläutert.
Verantwortlich sind seiner Ansicht nicht nur Lokalpolitiker, die ein multiethnisches Zusammenleben torpedieren. Auch westliche Regierungschefs und hohe Repräsentanten von OSZE und UNHCR seien sich in der Frage der Vertriebenen uneins bzw. hätten kein Interesse an ihnen, aus Angst vor einer Destabilisierung der Serbischen Republik. Dadurch werde die ethnische Säuberung einfach zementiert, so der Bischof: "Das ist gefährlich".
Es fehlen die rechtlichen Regulativa für das Entstehen eines Rechtsstaates in Bosnien-Herzegowina, weiß Komarica. Und es fehlt effiziente Unterstützung für den Wiederaufbau des verwüsteten Landes, für die Instandsetzung der zerstörten Häuser. Die Infrastruktur sei miserabel und es gebe nicht genügend Arbeitsplätze. Selbst Prothesen für Kriegsopfer seien zu wenige vorhanden.
"Schöne Reden"
Zwar flößen im Rahmen des Balkan-Stabilitätspaktes riesige Summen in die Region, doch ohne Resultate: "Ein Teil des Geldes landet auf Schweizer Banken, ein Teil fließt in undurchschaubare Projekte", kritisiert der Bischof. Als er in Brüssel um Finanzhilfe für 20 Traktoren, 125 Häuser und eine Lieferung Medikamente ansuchte, wurde die Bitte mit dem Hinweis auf die bereits geleistete Hilfe ausgeschlagen. Doch "ohne wirtschaftliche Ankurbelung werden wir ein Krisenherd bleiben, statt ein Friedenszentrum zu werden". Vielleicht sei das ja beabsichtigt, meint der Geistliche.
Uneinigkeit, Unentschlossenheit und mangelnder politischer Willen seien jedenfalls schlechte Ratgeber für die westliche Balkanpolitik: Schon einmal hätten sie mit zu einer der größten Tragödien des ausklingenden 20. Jahrhunderts geführt. Und: Die "Wunden seien noch nicht verheilt, die Gräber noch frisch, die Verwüstungen evident".
Fürsorge für Entrechtete
Bischof Komarica, der während des Krieges in seiner Diözese ausharrte, um den Bewohnern von Banja Luka zu helfen (so gut er konnte), kümmert sich heute um die Schaffung von Arbeitsplätzen, Bildungsstätten und Ärztezentren - die allen Volkgsgruppen-Angehörigen zur Verfügung stehen. Zur Zeit ist ein weiteres Projekt geplant: Die Gründung einer "Europäischen Akademie für Wirtschaftsethik und interkulturelle Begegnungen". Entstehen soll sie in dem 1869 vom Österreicher Franz Pfanner initiierten Trappistenkloster "Maria Stern" in Banja Luka. Nun werden europäische Investoren gesucht.
Mock würdigt Komarica
In Wien wurde Fanjo Komarica wegen seines Engagements und seiner europäischen Weltsicht am Freitag mit dem Preis der Coudenhove-Kalergi-Stiftung ausgezeichnet. Der Präsident der Stiftung, der frühere österreichische Vizekanzler und Außenminister Alois Mock, würdigte Komarica als einen "Mann, der immer Hoffnung gegeben habe". Im Gegensatz zu vielen anderen habe er nicht nur Versprechungen gemacht, sondern diese auch eingelöst.