Das IOC muss im Fall der Judo-Verweigerer den Druck erhöhen. Sonst ist es ja auch nicht zimperlich.
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Eigentlich läuft es für das Internationale Olympische Komitee nicht schlecht. Die ärgsten Proteste im Vorfeld sind abgeflaut, die Wettkämpfe gut organisiert, die Athleten unter den gegebenen (Corona-) Umständen zufrieden. Mit der Geschichte der amateurradelnden Mathematikerin Anna Kiesenhofer hat Olympia schon gleich zu Beginn sein Märchen bekommen, das weit in die Welt ausstrahlte; dazu kamen die erstmaligen Goldmedaillen für die Bermudas durch die Triathletin Flora Duffy und die Philippinen durch die Gewichtheberin Hidilyn Diaz. Geschichten wie diese werden dann auch auf den Sozialen Medien weithin ausgeschlachtet, um zu zeigen, wie bunt Olympia sein kann. Dass es im Vorfeld eine Kontroverse darüber gegeben hat, ob gegen Rassismus knieende Athleten gezeigt werden dürfen oder nicht - geschenkt. Die Diskussion wurde im Keim erstickt, indem das IOC festhielt, dass selbstverständlich auch solche Bilder möglich seien. Auf den offiziellen Seiten sieht man sie trotzdem nicht.
Nun aber hat das IOC ein Problem, das es nicht so einfach beiseitewischen kann. Denn es ist schon wieder was passiert. Schon wieder nämlich kam etwas dazwischen, das man mit dem ewigen Mantra, Politik hätte nichts mit Sport zu tun (natürlich nur, solange es der eigenen Sache nicht nützlich ist), ebenso verzweifelt wie erfolglos vermeiden will. Im Judo sind zwei Sportler nicht angetreten, um ein mögliches Aufeinandertreffen mit einem Israeli zu vermeiden. Zunächst hatte der Algerier Fethi Nourine auf einen Kampf gegen den Sudanesen Mohamed Abdalrasool verzichtet, um einem Zweitrunden-Duell mit Tohar Butbul aus dem Weg zu gehen. Abdalrasool wurde als Sieger gewertet, trat dann aber nicht gegen Butbul an.
Und was tut das IOC? Es zeigt sich "besorgt" und werde die Vorfälle prüfen, wie es hieß. "Das IOC ist immer besorgt bei solchen Fällen, wir schauen uns das genau an", sagte der für die Beziehungen zu den nationalen Verbänden zuständige James Macleod. Den Algerier Nourine habe dessen Nationales Olympisches Komitee umgehend nach Hause geschickt. Der Judo-Weltverband suspendierte den Sportler und nahm weitere Ermittlungen auf. Bei Abdalrasool war der Grund für seinen Verzicht zunächst offiziell unklar geblieben. "Wir werden alles untersuchen, das an uns herangetragen wird und mit den NOKs und den Weltverbänden von Fall zu Fall kooperieren", sagte Macleod. Das IOC sei in seiner Position bei Diskriminierung sehr klar und werde nicht vor einem Eingreifen zurückschrecken, wenn es einen "schamlosen Verstoß gegen die Olympische Charta" gebe. Nun, was anderes sollte das Verhalten sonst sein? Schließlich verbieten die Grundwerte des Olympismus "jede Form von Diskriminierung", zudem solle eine "friedliche Gesellschaft" gefördert" und die "Zusammenführung der Athleten der Welt zu einem großen Fest" erreicht werden. Doch mit einer etwaigen Strafe gegen die Sportler wird es nicht getan sein. Einige (vor allem Iraner), die früher schon mit ähnlicher Verweigerungshaltung aufgefallen waren, berichteten von Druck, der auf sie ausgeübt worden sei. Nun muss auch das IOC zum Schutz aller Sportler Druck ausüben. Sonst ist es da ja auch nicht zimperlich.