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Wo bleibt die Bildung für die Weltgesellschaft?

Von Werner Wintersteiner

Gastkommentare
Werner Wintersteiner ist Deutschdidaktiker und Friedenspädagoge an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt.

Das eigentliche Ziel von Bildung sollte die allseitige Entwicklung der Persönlichkeit der Jugendlichen als Menschen und als aktive Bürger sein.


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Dass beim Schulgipfel kommende Woche wirklich große Reformen verkündet werden, erwartet niemand. Enttäuschend ist aber schon, wie wenig über Ziele und Inhalte von Bildung gesprochen wird. Offenbar ist das neoliberale Paradigma von Bildung als "Humankapital", also als Faktor im wirtschaftlichen Wettkampf, viel zu tief verankert. Doch das eigentliche Ziel von Bildung sollte die allseitige Entwicklung der Persönlichkeit der Jugendlichen als Menschen und als aktive Bürger sein. Zumindest wenn sich Österreich an die internationalen Dokumente hält, die es in UNO und Unesco selbst entwickelt und mitbeschlossen hat. Relativ unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit hat nämlich Ende September die UNO-Generalversammlung eine wesentliche Neuausrichtung der Bildungspolitik beschlossen, die für alle Mitglieder maßgeblich ist. Im Rahmen der "Nachhaltigen Entwicklungsziele", die bis 2030 die Orientierung vorgeben, heißt es in Bezug auf die Bildung (Paragraph 4.7): Erziehung ist viel mehr als Berufsqualifikation, sie ist ein wesentliches Instrument zur Entwicklung von friedlichen und demokratischen Gesellschaften. Dazu müssen die Lernenden zu Weltbürgern ausgebildet werden, die die Verantwortung für unseren Planeten übernehmen können.

Noch präziser ist hier die Unesco (auf dem World Education Forum im Mai 2015): Es gehe um die Qualität von Bildung, und zwar in allen Staaten, nicht nur in den Entwicklungsländern. Qualitätsvolle Bildung müsse Erziehung für nachhaltige Entwicklung und "Global Citizenship Education" als Kernziele enthalten. Diese sozialen Fähigkeiten seien in allen Bildungssystemen zu verankern.

Diesbezüglich gibt es in Österreich noch enormen Aufholbedarf. Zum einen ist es ein Fakt, dass hierzulande Politische Bildung gar kein eigenes Unterrichtsfach ist. Die Integration in Geschichte (an AHS) oder Recht (an manchen BHS) ist keine dauerhafte Lösung, es gibt einfach zu wenige Stunden für einen systematischen Unterricht und auch noch keine adäquate Lehrerausbildung. Zum anderen ist die Perspektive immer noch die österreichische Innenpolitik, auch im neuen Grundsatzerlass Politische Bildung (Juni 2015). Die Weltprobleme werden nach wie vor durch die nationale Brille betrachtet.

Gerade die aktuelle Situation, meist mit dem problematischen Begriff "Flüchtlingskrise" umschrieben, sollte uns eines Besseren belehren. Nur von einem weltbürgerlichen Standpunkt aus bekommen wir alle Dimensionen dieser Massenmigration in den Blickpunkt und können tatsächlich Gesamtstrategien entwickeln. Wollen wir, dass unsere Jugend zukünftig die Weltprobleme mit Souveränität angeht, oder lassen wir es zu, dass sie genauso hilflos bleibt wie unsere gegenwärtige Politikergeneration?

Zumindest bei den Lehrkräften ist das Problembewusstsein durchaus gegeben. Der an der Universität Klagenfurt nun schon zum zweiten Mal durchgeführte Master-Lehrgang "Global Citizenship Education" kann sich des Andrangs kaum erwehren. Und an den Unesco-Schulen laufen zahlreiche diesbezügliche Pilotprojekte. Aber wo bleiben Grundsatzdebatten und Strukturreformen? Darüber sollte man bei einem Reformgipfel eigentlich reden.