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Die im Süden der Türkei gelegene Stadt Tarsus ist der Geburtsort des Apostels Paulus. Nachdem im Frühjahr 2008 Papst Benedikt XVI. zu Ehren des Apostels das Paulus-Jahr ausgerufen hatte, einigte sich die katholische Kirche mit den türkischen Behörden, die aus dem 12. Jahrhundert stammende und seit 1943 vom Staat beschlagnahmte und als Museum geführte Paulus-Kirche für Gottesdienste für Pilger freizugeben.
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Kaum war das Paulus-Jahr abgelaufen, ordnete das türkische Tourismusministerium am 28. Juli 2009 entgegen anders lautenden Versprechen auch von Premier Erdogan die Rückverwandlung der Paulus-Kirche in ein Museum an: Messen müssen wieder drei Tage vorher angemeldet werden, der Museumsdirektor ist berechtigt, Messen zu kürzen und von den Pilgern Eintrittsgeld zu kassieren. Der deutsche Erzbischof Joachim Meisner sprach von einer "unwürdigen Behandlung" und von einer "massiven Verletzung der Religionsfreiheit". Die Proteste der Kirche in Österreich blieben ebenso aus wie die der sonst auf Toleranz und Religionsfreiheit so erpichten Islamischen Glaubensgemeinschaft und türkischen Moscheevereine.
Christliche Gemeinden dürfen sich in der Türkei nur als Stiftungen organisieren. Immobilienbesitz ist ihnen verboten. Der Staat hat ihr Stiftungsvermögen konfisziert. In der Türkei darf kein kirchliches Personal ausgebildet werden. Klöster und Priesterseminare sind seit vielen Jahren geschlossen. Die Türken in Deutschland und Österreich haben mehr als 3000 Gebetshäuser und Moscheen gebaut und wir können nicht einmal ein paar Kirchen und ein Dutzend Missionare dulden, schreibt Ertugrul Özkök, Chefredakteur der türkischen Tageszeitung "Hürriyet": "Wo bleibt die Zivilisation?"
Der christlich-islamische Dialog steckt in Seitenwegen. Um Konfliktthemen auszuweichen, begibt man sich auf flaches Gesprächsniveau, auf dem man einander wortreich versichert, dass man miteinander reden sollte. Auseinandersetzungen über islamistische Standpunkte werden deshalb vermieden. Man dürfe die Sensibilität der Muslime in Österreich nicht verletzen, müsse daher manches übersehen, was zur Sorge Anlass böte.
Der interreligiöse Dialog ist deshalb sterbenslangweilig. Denn die wichtigsten Fragen - Menschenrechte, Religions- und Meinungsfreiheit, Gleichheit der Geschlechter, Zwangsehen, Ehrenmorde, Genitalverstümmelung und, nicht zuletzt ein als Antizionismus verkleideter Antisemitismus - sind für aufgeklärte demokratische Staaten nicht verhandelbar.
Religionsfreiheit und Toleranz sind keine Einbahnstraßen. Offenheit meint nicht Gleichgültigkeit, sondern Verständnis für andere Werte und Meinungen. Ohne wechselseitige Toleranz ist kein Dialog möglich, es sei denn, man versteht darunter einen oberflächlichen Austausch von Höflichkeiten, Multikultifeste und die Vorstellung, dass sich zwei Parallelen im Diesseits treffen könnten.
Ernst Hofbauer ist der Autor des Buches "Inschallah Österreich. Das unheimliche Paradies".