Was Prag zu bieten hat, wissen immer mehr BesucherInnen zu schätzen: In den letzten zehn Jahren hat sich das städtetouristische Aufkommen verdoppelt. Gemessen an der Zahl der Nächtigungen hat die tschechische Hauptstadt Wien bereits überholt. Von der Attraktivität des Hotelstandortes profitiert auch das Österreichische Verkehrsbüro.
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Das hätte er sich vor zehn Jahren nicht gedacht. Der Teilnehmer einer Reisegruppe aus Österreich bringt seine Verwunderung unumwunden zum Ausdruck: Mit den restaurierten Bürgerhäusern der Altstadt, erleuchteten Straßenzügen und bunt blinkenden Reklameschildern hat Prag seine Erwartungen übertroffen. Noch gut habe er das Aussehen der Stadt bei seinem letzten Besuch in Erinnerung - Grau blieb damals als tonangebend haften.
Der Hauch von Tristesse, charakteristisch für etliche sozrealistische Metropolen, hatte die tschechische Hauptstadt jedoch auch vor einem Jahrzehnt kaum durchweht. Allerdings blieb es der "Goldenen Stadt" lange Zeit verwehrt, seine Reize, die nun Millionen BesucherInnen jährlich anlocken, ins Licht zu rücken. Dabei soll Prag die älteste Stadt der Welt sein - sogar das Jesulein habe dort die Schule besucht, heißt es in Teilen Südamerikas. (Was allerdings eine Behauptung aus zweiter Hand, jener Bohumil Hrabals, ist.)
Nun präsentiert sich Prag als stolzer ehemaliger Königssitz, als moderne Metropole, pulsierendes Handels- und Geschäftszentrum. Mehr denn je ist es auch eine touristische Attraktion, gemessen an der Zahl der Nächtigungen mittlerweile eine größere als Wien. Nach Angaben der staatlichen Tschechischen Zentrale für Tourismus (CTA) ziehe es jährlich an die 100 Millionen Menschen - und damit etwa ein Fünftel mehr als vor 1989 - in die tschechische Republik: einige für ein paar Stunden und zum Einkaufen, andere bleiben länger und auf Besichtigungstour. Und drei Viertel aller TouristInnen kommen für mindestens eine Nacht in die Hauptstadt.
"Rasante Entwicklung"
"In den letzten Jahren gab es eine rasante Entwicklung im Tourismus", erklärt Nora Dolanska von der CTA - und bezeichnet 1996 und 1997 als "beste Jahre". Doch auch später gab es kaum Grund zur Klage. So habe es im Jahr 2001 über 16,8 Millionen Nächtigungen (ausländischer TouristInnen) gegeben, davon die Hälfte in Prag. Bis September des Vorjahres seien es elf Millionen gewesen. Trotz des Hochwassers vor vier Monaten schätzt Dolanska den Rückgang der Nächtigungen auf nur zehn Prozent.
Doch nicht nur für Individualreisende scheint Prag interessant. Zunehmend wird die Stadt zu einem beliebten Kongress- und Konferenzveranstaltungsort. Zu den größten Ereignissen dieser Art zählten im Vorjahr Weltbank-Tagung und NATO-Gipfel.
Von dieser Dynamik profitiert auch ein Nachbarland Tschechiens. Denn es ist ein österreichisches Unternehmen, das sich zum größten privaten Hotelier in Prag entwickelt hat. Vienna International (VI), eine 30-Prozent-Tochter des Österreichischen Verkehrsbüros, betreibt dort fünf Hotels der gehobenen Klasse. Der Erfolg war nicht von vornherein garantiert.
Investitionen zielführend?
"Nach der Öffnung 1989 hat es große Diskussionen gegeben, ob Investitionen im Osten überhaupt zielführend sind", erinnert sich VI-Vorstandsvorsitzender Rudolf Tucek.
Doch Zahlen sprechen ihre Sprache. So wuchs der Umsatz von VI im Jahr 2001 auf 39 Mill. Euro, das operative Ergebnis betrug 18,3 Mill. Euro, die Zahl der Nächtigungen lag bei 440.000. Zwei der fünf Hotels in Prag wurden im Vorjahr eröffnet, die durchschnittliche Zimmerauslastung liegt zwischen 61 und 72%. Für 2003 ist eine Umsatzsteigerung auf 45,7 Mill. Euro angepeilt.
Von Gebäude-Uniformismus sind die HotelbetreiberInnen weit entfernt. Die Produktpalette reicht vom in einem Jugendstilhaus untergebrachten Hotel Palace über das Businesshotel Diplomat bis hin zum glasblitzenden Designhotel andel's.
Und das jüngst eröffnete Le Palais besticht vor allem als Zeugnis sorgfältiger Renovierungsarbeit. Allein an den Fresken im Stiegenaufgang des 1897 erbauten ehemaligen Schlachthauses haben fünf Restauratoren ein halbes Jahr lang gearbeitet.
Der Hotelstandort Prag sei in den letzten Jahren stark ausgebaut worden, berichtet Rudolf Hausegger von Vienna International. "In Wien zum Beispiel könnten derzeit sicher nicht so viele Tophäuser entstehen." Eng verbunden ist dies mit der wirtschaftlichen Situation - Zentral- und Osteuropa gehören zu den größten Wachstumsmärkten, was Auswirkungen auch auf die Hotellerie hat. "Wenn Direktinvestitionen steigen, dann spüren wir das sofort", meint Hausegger. ManagerInnen werden entsandt, Konferenzen veranstaltet: Geschäftskunden bilden die größte Zielgruppe. Aber auch Individualreisende, vor allem aus EU-Staaten, sind durchaus bereit, 210 Euro aufwärts für ein Doppelzimmer zu bezahlen.
Österreich auf Platz zehn
Das Interesse an Prag und der Tschechischen Republik sei im Steigen, stellt auch die CTA fest. Zwar rangieren österreichische TouristInnen auf der BesucherInnenliste auf Platz zehn, hinter Gästen aus Deutschland, Polen oder Italien. Doch Millionen Menschen reisen gerade von Österreich aus nach Tschechien ein. Nicht zuletzt deswegen will die Tourismuszentrale heuer "die Bearbeitung des österreichischen Marktes weiter intensivieren" - etwa durch verstärkte Teilnahme an Ferienmessen in Wien oder Linz. Als Attraktionen sollen nicht nur fixe Veranstaltungspunkte wie bereits renommierte Jazz- oder Tanzfestivals angeboten werden. Das touristische Jahr soll auch im Zeichen von "Aktiv-Urlaub" stehen. Wer will, kann eine dem entsprechende Form der Anreise wählen: Prag ist von Wien aus über eine Fahrradtrasse erreichbar.
Lesetipps:
Neben den in großer Zahl aus verschiedenen Verlagen verfügbaren Reiseführern könnten Prag-Reisende sich in Kaffeehäusern - an der Kleinseite etwa - mit folgenden Büchern beschäftigen: "Ich habe den englischen König bedient", von Bohumil Hrabal, (Bibliothek Suhrkamp); dazu die Prager Geschichten und Reportagen von Egon Erwin Kisch; und, wenn auch schwierig aufzutreiben, Max Brods "Prager Tagblatt". Jaroslav Haseks "Schwejk" geht auch noch durch.
Service: http://www.prag.cz
http://www.vi-hotels.com