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Wo das Recht an einem Haar hängt: Klare Regelung wichtig

Von Christa Karas

Politik

Dem deutschen Bundeskriminalamt (BKS) sei, so eine Meldung vom vergangenen Freitag, ein Durchbruch in der kriminalistischen Spurensicherung gelungen. BKA-Wissenschaftler hätten in aufwendigen Forschungsarbeiten eine Methode entwickelt, erstmals Erbinformationen auch aus ausgefallenen Haaren zu isolieren. Bisher war eine Auswertung nur möglich, wenn Haare ausgerissen wurden und deshalb noch intakte Zellen anhafteten. Doch nun sei es auch damit möglich, einen "genetischen Fingerabdruck" des Täters zu erstellen.


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In der Tat reichen heute schon 0,5 Milliardstel Gramm Erbsubstanz und immer weniger Zellen aus, um eine DNA-Analyse durchzuführen. Mit Hilfe der sogenannten PCR-Methode lassen sich auch noch die geringsten Mengen an Erbgut vermehren und das vorgefundene Spurenmaterial erweitern.

Die extreme Sensitivität der Methode wirft aber auch eine Vielzahl von Problemen auf, wie der bekannte Gerichtsmediziner Univ.-Prof. Dr. Richard Dirnhofer erst vor wenigen Wochen erläuerte.

Der aus österreich stammende Direktor des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Bern wies darauf hin, dass die Frage der Auffindung derartiger Beweismittel immer wichtiger werde und dass dies ebenso für die Beweissicherung und die Aufbewahrung gelte. Hier dürfe sich nicht der geringste Fehler einschleichen, was bedeutet, dass die Exekutivbeamten besonders geschult und ausgerüstet werden müssen.

Über Jahrzehnte hindurch standen den Verbrechensbekämpfern kaum mehr an Beweisen zur Verfügung als Fingerabdrücke und die grobe Beschaffenheit des Blutes. Doch schon Karl Landsteiner, Entdecker der Blutgruppen und des Rhesusfaktors, ahnte, dass noch mehr dahinter steckte, als er in seiner Rede zur Nobelpreisverleihung 1930 von der Individualität des menschlichen Blutes sprach. Heute haben Gerichtsmediziner wie Dirnhofer bereits die Zukunftsvision eines DNA-Phantombildes, nämlich besondere Merkmale wie Haar- und Augenfarbe aus einer Blutspur "herauszulesen".

Dennoch: Die DNA sagt nichts über Schuld oder Unschuld eines Verdächtigen aus, weshalb Dirnhofer die Bewertung stets in den Händen der unabhängigen Gerichte sehen will. Und urgiert im Hinblick auf die möglichen Konsequenzen solcher Untersuchungsmethoden und ihres Gewichts in Gerichtsverfahren und in der Gesellschaft eine penible rechtliche Regelung. Denn: "Man muss sich dessen bewusst sein, dass der Schnüffelei damit Tür und Tor geöffnet sind."

Ein gesetzliches Regelungswerk müsste seiner Ansicht nach folgende Punkte umfassen: Kein Einsatz der DNA-Analyse bei Ordnungswidrigkeiten (geringfügigen Vergehen). Blutproben von Verdächtigen dürften nur im zugrunde liegenden oder einem anderen anhängigen Verfahren verwendet werden, während alle entnommenen Vergleichsproben zu vernichten seien, wenn sie für das Verrfahren nicht mehr erforderlich sind.

Untersuchungsziel dürfte ausschließlich nur die Feststellung einer Abstammung oder der Zuordnung einer Spur zum Beschuldigten oder Verletzen sein. Eine DNA-Analyse sei vom Richter schriftlich anzuordnen und der Sachverständige von ihm zu bestimmen.

Unumgänglich ist für Dirnhofer aber auch die organisatorische und sachliche Trennung der ermittlungsführenden Dienststelle von der Einrichtung, welche die Analyse durchführt. Und schließlich fordert er die Überwachung des gesamten Prozedere durch den Datenschutzbeauftragten.