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Drei Orte in Frankreich verbieten den Ganzkörper-Badeanzug. Die Atmosphäre ist angespannt.
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Paris/Marseille. Es sollte nur ein Badetag für Frauen und Kinder in einem Bad in Pennes-Mirabeau nördlich von Marseille werden. Doch er schlug so hohe Wellen in Frankreich, dass er ins Wasser fällt. Denn einer Reihe rechtsextremer und konservativer Politiker erschien die Vorstellung unerträglich, dass verhüllte muslimische Frauen ein privates Freibad für einen Tag mieten wollten.
Ursprünglich hatte der Verein "Smile13" die Idee, den "Speedwater Park" in Pennes-Mirabeau am 17. September, also nach Ende der Ferienzeit, zu reservieren, um nur Frauen und Kindern Eintritt zu gewähren. Den Frauen wurde der Bikini verboten und anders als zu Normalzeiten der Ganzkörper-Burkini erlaubt - aber nicht vorgeschrieben, wie später im konservativen Blatt "Figaro" zu lesen war. Stattdessen hieß es auf dem Einladungsflyer, der Bereich von der Brust bis zu den Knien sollte bedeckt bleiben, etwa mit einem Badeanzug und einem Hüfttuch.
Burkini-Verbot wegenLaizismus und "guter Sitten"
"Unser Ziel ist es, Frauen dem Wasser näher zu bringen", erklärte Melisa Thivet vom Verein "Smile13". "Manche können wegen ihrer Scham, sich zu entblößen, nicht baden gehen." Doch der Aufschrei auf die private Aktion hin war gewaltig. Es handle sich um ein "Zeichen der Islamisierung der Gesellschaft, die die Republik bedroht", schimpfte die konservative Abgeordnete Valérie Boyer. Auch der rechtsextreme Front National witterte eine "Tarnmaske des Islamismus" hinter den Badeplänen. Vergeblich warnten gemäßigtere Politiker wie die Stadtteil-Bürgermeisterin Samia Ghali vor einer hysterischen Debatte. Auch die Schwimmbad-Verantwortlichen erklärten, es stehe ihnen ebenso "frei, den Bereich einen Tag lang zu vermieten, wie den Betreibern eines Festsaals für eine Hochzeitsfeier".
Doch die Stimmung schaukelte sich derart auf, dass die Organisatorinnen sogar Pistolenkugeln zugeschickt bekamen und Bürgermeister Michel Amiel schließlich den Badetag verbot. Es handle sich um eine "Provokation, die wir im aktuellen Kontext nicht brauchen", er befürchte eine "Störung der öffentlichen Ordnung". In einer Stellungnahme erklärten das Rathaus und der "Speedwater Park", der Bitte um die private Nutzung nicht nachzukommen, da sich "extreme ideologische Positionen des Streits bedienen, um Konflikte auszutragen, an denen wir uns nicht beteiligen wollen".
Während es sich hier um eine geplante Privatveranstaltung handelt, so verbannen nun auch drei Orte in Südfrankreich und Korsika den Ganzkörper-Badeanzug von öffentlichen Ständen. Bereits Ende Juli sprach der konservative Bürgermeister von Cannes, David Lisnard, ein Burkini-Verbot für die Strände der Mittelmeerstadt aus, wie es schon in der Nachbargemeinde Villeneuve-Loubet gilt. Es gehe darum, die guten Sitten, den Laizismus - die in Frankreich geltende Trennung von Religion und Staat und den Verzicht auf religiöse Symbole in der Öffentlichkeit - sowie die Hygiene- und Sicherheitsregeln zu respektieren.
Zwar legten drei Vertreterinnen des Vereins gegen Islamophobie CCIF Beschwerde gegen die Entscheidung ein. Doch ein Verwaltungsgericht bestätigte das Verbot am Montag: Vor dem Hintergrund des Ausnahmezustandes, der seit den Pariser Terroranschlägen vom 13. November im ganzen Land gilt, und des Attentats in Nizza am 14. Juli könne der Burkini als "eindeutiges religiöses Symbol" interpretiert werden, argumentierten die Richter.
"Verhindern, dass sich der Fundamentalismus verbreitet"
Auch im korsischen Ort Sisco ist die Badeverschleierung ab heute, Dienstag, nicht mehr erlaubt. Dort kam es am Wochenende zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Jugendlichen und Badegästen maghrebinischer Herkunft. Laut Augenzeugen hatten Touristen Frauen im Burkini fotografiert - was deren Männer als Provokation auffassten. Seine Entscheidung sei "nicht gegen die muslimische Religion gerichtet", sondern solle "verhindern, dass sich der Fundamentalismus verbreitet", rechtfertigte sich Bürgermeister Ange-Pierre Vivoni.
Der Vorfall illustriert die angespannte Stimmung in Frankreich. Zwar ist die Vollverschleierung mit einer Burka oder einem Nikab im öffentlichen Raum bereits verboten. Doch das Gesetz betrifft nicht den Burkini, der das Gesicht freilässt. Im Oktober 2010 in Kraft getreten, waren der Entscheidung heftige Debatten vorausgegangen: Die Wächter des Laizismus standen den Verfechtern der Religionsfreiheit gegenüber. Die einen befürworteten Null-Toleranz gegenüber vollständiger Verhüllung von Frauen, die anderen befürchteten die Stigmatisierung von Muslimen. Zumal die Zahl der Betroffenen auf 1900 geschätzt wird, während Frankreich rund sechs Millionen Muslime zählt.
Burka-Trägerinnen als"Wiederholungstäterinnen"
Wer gegen das Verbot verstößt, muss eine Geldstrafe von 150 Euro bezahlen. Allerdings wirft die konservative Opposition, die das Gesetz damals unter Präsident Nicolas Sarkozy beschlossen hat, der sozialistischen Regierung vor, es kaum zur Anwendung zu bringen: 2012 wurden 332 Sanktionen gezählt, im Folgejahr 383, 2014 waren es 397 und 2015 nur noch 223. Dabei handelte es sich oft um "Wiederholungstäterinnen": So wurde eine Frau mehr als 33 Mal bestraft.
Die französische Polizei stand dem Gesetz stets zurückhaltend gegenüber und erklärte, keine "Burka-Jagd" betreiben zu wollen. "Wir haben von Anfang an gesagt, dass es schwierig anzuwenden sein würde", so Nicolas Comte, Sprecher einer Polizeigewerkschaft: "Meine Kollegen überlegen zweimal, bevor sie sich in bestimmten Vierteln in komplizierte Situationen begeben." Da die Einsatzkräfte überlastet seien, stelle sich auch die Frage, ob man wegen so geringfügiger Gesetzesübertretungen eingreifen solle.