Höhere Türme ermöglichen neue Nutzungsgebiete. | Reichlich Potenzial an Land.
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Berlin. Die Windenergie auf dem Festland könnte viel mehr Strom erzeugen als bisher vermutet: 65 Prozent des deutschen Bruttostromverbrauchs hätten im Jahr 2010 gedeckt werden können, wenn Windräder sich auf ganzen zwei Prozent der Landfläche gedreht hätten. Das haben Wissenschafter des Fraunhofer-Instituts für Windenergie und Energiesystemtechnik in Kassel errechnet.
Sowohl die nötigen Flächen als auch die Technik sind vorhanden, um das zu realisieren: Immerhin eignen sich acht Prozent der Landesfläche für Windenergieparks.
„Deutsche Hersteller haben wirtschaftliche Anlagen für das Binnenland bereits entwickelt”, erklärt Alexander Sewohl vom Bundesverband Windenergie in Berlin. Die ersten Prototypen werden bereits installiert und warten dabei mit einer Überraschung auf: Bisher hatten neue Anlagen oft höhere Nennleistungen als ihre Vorgänger. Waren 1987 gerade einmal 50 Kilowatt üblich, lag dieser Wert im Jahr 2000 bei mehr als 1000 Kilowatt. 2011 orientiert sich der Wert an Land bereits bei drei oder 3,5 Megawatt Nennleistung, Anlagen im Meer dagegen haben etwa die doppelte Leistung.
Während die Entwicklung im Meer weitergeht und bereits 20 Megawatt-Anlagen geplant sind, haben die Hersteller für Anlagen an Land einen triftigen Grund, die Nennleistung nicht weiter zu steigern: Dort weht nicht genug Wind, um mit höheren Leistungen Geld zu verdienen. Denn verdoppelt der Hersteller die Nennleistung, vervielfachen sich die Kosten für die Anlage.
Daher bieten die Hersteller inzwischen Windräder an, die bei drei oder 3,5 Megawatt Nennleistung bleiben, aber den Wind besser einfangen als bisherige Anlagen. Dazu werden im Prinzip die Rotorblätter verlängert. So baut der Windkraftanlagen-Spezialist Nordex für das Binnenland mit mittlerer Windgeschwindigkeit eine 2,5 Megawatt-Anlage, deren dreiblättrige Rotoren einen Durchmesser von 100 Metern haben. Für Standorte mit weniger Wind ersetzt das Unternehmen die bisher für die Rotorblätter verwendeten Glasfasern durch leichtere Kohlenstoff-Fasern und vergrößert den Durchmesser auf 117 Meter. Statt einer Fläche von wie bisher 7823 Quadratmetern überstreichen die Blätter somit 10715 Quadratmeter und können auf größerer Fläche mit schwacher Luftbewegung mehr Wind einfangen.
Jeder Meter ein Prozent
Die Hersteller fanden noch eine weitere Möglichkeit, die Lüfte effektiver zu nutzen. Sie bauen die Türme der Anlagen höher und gestalten ihre Oberfläche unregelmäßig, sodass der Wind stärker gebremst werden kann. Eine Faustregel besagt, dass jeder Meter Turmhöhe ein Prozent mehr Ertrag an Windenergie bringt. So gibt es Türme, auf denen die Nabe auf 140 Metern montiert wird.
Die höheren Türme erschließen auch ein weiteren, zuvor ungenutzten Standort: die Waldgebiete. So rücken auch für die ausgedehnten Wälder Süddeutschlands solche Windparks in greifbare Nähe. Alexander Sewohl vom Bundesverband Windenergiefasst diese technische Entwicklung in einem Satz zusammen: „Eine einseitige Ausrichtung auf Windenergie-Anlagen im Meer ist nicht sinnvoll.” Auch an Land gibt es nämlich reichlich Potenzial für Windenergie, die obendrein preiswerter genutzt werden kann.