ÖVP und SPÖ verlieren in Oberösterreich Kernwähler an die FPÖ. | Deshalb fürchten sie den jeweils anderen.
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Linz. Seit seiner Wahl zum Landesvorsitzenden der SPÖ Oberösterreich war Reinhold Entholzer nicht mehr derart prominent in den Schlagzeilen vertreten wie dieser Tage. Wahrscheinlich war er es nicht einmal damals. War Entholzers Stimme schon in den vergangenen Tagen vermehrt zu vernehmen, so ist er seit einem ORF-Interview Donnerstagnacht in aller Munde.
Der Grund: Entholzer schlug eine bundesweite Mitgliederbefragung in der SPÖ vor, um die Frage zu klären, wie es die Sozialdemokratie im Umgang mit der FPÖ halten soll. Die Reaktionen aus der SPÖ kamen rasch und eindeutig. Eine solche Befragung sei "überflüssig", sagte Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek stellvertretend für die Bundespartei. Auch die Jugendorganisationen stellten sich gegen Entholzer.
Am Freitag sprachen sich fast alle Landesorganisationen gegen Entholzers Vorschlag aus. Nur von Salzburgs SPÖ-Chef Walter Steidl kam Verständnis für die Idee. Die Partei brauche "keine Angst vor der Meinung der Mitglieder" haben, sagte Steidl. Der Salzburger SPÖ-Chef blieb mit seiner Meinung aber alleine. Schützenhilfe für den nächsten sozialdemokratischen Landeschef, der Wahlen zu schlagen hat, sieht anders aus.
Auf den ersten Blick war es ein ungeschickter Vorstoß von Entholzer, der in seinen eineinhalb Jahren als Parteichef kaum über Oberösterreichs Grenzen hinaus in Erscheinung getreten ist. Ganz anders als sein Vorgänger Josef Ackerl, ein prononcierter Vertreter des linken Parteiflügels, der seine Meinung gerne mit deftigen Worten untermalte.
Doch Entholzers Idee war vielleicht gar nicht so sehr an die eigene Partei gerichtet. Schon in den vergangenen Tagen meldete sich Entholzer, der aus der Gewerkschaft kommt und dem schon bei seiner Wahl zum SPÖ-Vorsitzenden der Ruf eines Konsenspolitikers vorauseilte, zu Wort und forderte einen unaufgeregteren Umgang mit den Blauen. Zumindest sprechen solle man mit ihnen, wiederholte Entholzer regelmäßig.
Die oberösterreichische ÖVP nahm den Ball dankbar auf und warnte lauthals vor Rot-Blau. "Rot-Blau ist kein Schreckgespenst, sondern wird täglich ein Stück mehr zur Realität", sagte ÖVP-Geschäftsführer Wolfgang Hattmannsdorfer. Die realpolitische Wahrscheinlichkeit einer rot-blauen Mehrheit in Oberösterreich ist dennoch gering.
Die beiden kämpfen mit jeweils knapp über 20 Prozent in den aktuellen Umfragen um Platz zwei. Hinter Entholzers Vorstoß könnte auch ein Signal an potenzielle FPÖ-Wähler stehen, die Entholzer nicht vergraulen oder für die SPÖ zurückholen möchte.
Ungeschickt war der Vorstoß Entholzers deshalb, weil nun nach wie vor alles von Rot-Blau und niemand von Schwarz-Blau spricht, auch wenn der oberösterreichische SPÖ-Chef im ORF-Interview genau davor warnte. Diese Warnung ist nicht unbegründet, ist doch Schwarz-Blau schon rein rechnerisch nach der kommenden Wahl wesentlich wahrscheinlicher als Rot-Blau. ÖVP und FPÖ hätten jetzt schon eine Mehrheit, auch die Wahl wird daran wohl nichts ändern.
Tatsächlich bekämpfen ÖVP und SPÖ mit ihren Warnungen denselben Gegner, der womöglich als Einziger von diesem Geplänkel profitiert: die FPÖ. Denn während die Lager in Oberösterreich historisch klar verteilt sind - die ÖVP ist in den ländlichen Regionen stark, die SPÖ in den Städten und Industrieregionen -, nimmt die FPÖ sowohl der ÖVP als auch der SPÖ Wähler weg.
Das zeigt auch die Detailauswertung der Ergebnisse der Nationalratswahl. Da gewann die FPÖ etwa im ländlich geprägten Bezirk Grieskirchen 3,5 Prozentpunkte, in der SPÖ-Hochburg Steyr lag das Plus immer noch bei 2,8 Prozentpunkten. Oberösterreichs FPÖ-Chef Manfred Haimbuchner geht davon aus, bei der Landtagswahl im Herbst auf dem zweiten Platz zu landen.
ÖVP-Geschäftsführer Hattmannsdorfer will den aufkommenden Freiheitlichen auch mit Inhalten beikommen. Der Arbeitsmarkt wird ein Schwerpunkt-Thema der ÖVP-Kampagne sein. Und Hattmannsdorfer fordert auch eine rot-schwarze Lösung für die Asylproblematik: "Wir brauchen in diesem Punkt eine gemeinsame Kraftanstrengung." Die SPÖ fuhr auf lokaler Ebene gerade in den urbanen Bereichen schon vor der jetzigen rot-blauen Aufregung einen pragmatischen Kurs gegenüber der FPÖ.
Dennoch spricht vieles dafür, dass Schwarz und Grün ihre in Oberösterreich bereits seit zwölf Jahren laufende Partnerschaft auch nach der Wahl fortsetzen, etwa das persönliche Verhältnis von Pühringer und Grünen-Chef Rudi Anschober - wenn es sich denn ausgeht. Denn wenn die ÖVP stark verliert und die Grünen wieder einmal hinter den Prognosen zurückbleiben, könnte sich die Frage nach Schwarz-Grün gar nicht mehr stellen. Dann wäre Schwarz-Blau eine realistische Option.
Ein Faktor ist dieser Tage in Oberösterreich übrigens komplett aus der Diskussion verschwunden. Vor einem Jahr selbst vonseiten des Landeshauptmannes Pühringer noch als reale Gefahr ausgemacht, redet auch in Oberösterreich mittlerweile keiner mehr von ihnen: den Neos. Die scheinbar wichtigste Frage dieser Tage ist auch in Oberösterreich: "Wie hältst du’s mit der FPÖ?"