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Japans Schrein zu Ehren der Soldaten wurde von gleich 168 Parlamentariern besucht.
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Tokio. Aus diplomatischer Sicht gibt es für den Besuch des Yasukuni-Schreins nie einen guten Termin: Das umstrittene Heiligtum in Tokio sorgt regelmäßig für Verstimmung zwischen Japan und den Nachbarländern, vor allem Südkorea und China. Heuer fällt der Zeitpunkt für die Aufwartung der japanischen Abgeordneten besonders ungünstig, da die Lage im Asien-Pazifik-Raum insgesamt angespannt ist.
Ungeachtet der Proteste haben 168 Parlamentarier verschiedener Parteien die Gedenkstätte für Japans Kriegstote von 1868 bis 1945 anlässlich eines Schreinfestes besucht, um der Verstorbenen zu gedenken. Unter den hier Verehrten befinden sich auch 14 verurteilte Kriegsverbrecher. Für Länder wie Südkorea oder China - deren Bevölkerung Opfer der Aggressionen der kaiserlichen japanischen Streitkräfte war - sind die Visiten japanischer Politiker daher seit Jahren ein Affront.
Vor dem Hintergrund der schwelenden Konflikte ist es auffällig, dass diesmal weit mehr japanische Politiker an der jährlichen Fahrt zum Schrein teilnahmen als üblich. Vor allem wurde der Zug von drei Ministern angeführt, unter denen sich der ehemalige Premier und jetzige Finanzminister Taro Aso befand.
Regierungssprecher Yoshihide Suga versuchte, die Angelegenheit herunterzuspielen, und sprach von "Privatbesuchen" der Politiker. Dem widersprach jedoch der Leiter der Nationalen Kommission für öffentliche Sicherheit, Keiji Furuya, der ebenfalls an der Zeremonie teilnahm: "Es ist für mich als Parlamentsmitglied ganz natürlich, den Geistern der Kriegstoten, die ihr Leben für dieses Land gegeben haben, mein ehrliches Beileid auszudrücken."
Japans Premier Shinzo Abe war zwar nicht persönlich anwesend, spendete aber eine rituelle Altardekoration aus Holz und Stoff, die seinen Namen und seinen Titel trägt. Zuletzt besuchte er den Schrein im Oktober 2012 als Oppositionsführer.Damals erklärte er, er sei als Vorsitzender der Liberaldemokratischen Partei gekommen, um die "heroischen Geister" zu ehren, die "für das Land ihr Leben geopfert haben".
Yasukuni bedeutet übersetzt "der Nation Frieden bringen". Japaner aus rechtsgerichteten Kreisen pochen darauf, dass es sich hier nicht um ein Kriegerdenkmal im Sinne nationalistischer Propaganda handle, sondern um einen Schrein, in dem die wütenden Seelen Verstorbener besänftigt werden sollen, damit sie keinen Unfrieden im Land stiften. Allerdings ragt neben der Halle eine Haubitze in den Himmel, und ein Gedenkstein erinnert an die Militärpolizei Kempeitai, die von den Alliierten als "japanische Gestapo" bezeichnet wurde. Ein angrenzendes Museum lobt den Heldenmut der Kamikaze-Piloten,
Hinweise auf Kriegsverbrechen wie Zwangsprostitution oder das Massaker von Nanking sucht man vergeblich. Dafür werden auch Angehörige der Einheit 732, die im Krieg in der Mandschurei Experimente mit biologischen Waffen an Kriegsgefangenen und chinesischen Zivilisten durchführte, an der Gedenkstätte verehrt.
Demonstrationen in Seoul
Südkorea und China reagierten am Dienstag erwartungsgemäß verärgert. Seoul rief die Regierung in Tokio auf, "ihr rückwärtsgerichtetes Verhalten sofort einzustellen", Südkoreas Außenminister Yun Byung Se sagte einen geplanten Besuch in Tokio ab. In Seoul kam es vereinzelt zu Demonstrationen, wobei japanische Flaggen aus dem Zweiten Weltkrieg zerrissen wurden. Die Beziehungen der beiden Nachbarländer gelten als angespannt, da der seit Jahrzehnten schwelende Konflikt um eine Felseninselgruppe im Japanischen Meer immer wieder aufflammt. Noch heikler ist Japans Konflikt mit China um die Inselgruppe Senkaku-Diaoyu im Ostchinesischen Meer. Gerade erst hat die Regierung in Tokio den chinesischen Botschafter einbestellt, nachdem acht Regierungsschiffe in der Nähe der Inseln gesichtet wurden.
Als Reaktion auf den Besuch des Schreins warf Chinas Außenministeriumssprecherin Hua Chunying den japanischen Abgeordneten "Geschichtsleugnung" vor und forderte das Land auf, sich der früheren "Aggression" zu stellen und diese zu bereuen. Damit fällt die Reaktion Chinas vergleichsweise zurückhaltend aus: Zwischen 2001 und 2006, als der frühere japanische Premier Junichiro Koizumi den Schrein regelmäßig besuchte, verweigerte Peking überhaupt jeden diplomatischen Kontakt auf hoher Ebene mit Tokio.