Zum Hauptinhalt springen

"Wo ein Willi ist, ist auch ein Weg"

Von Brigitte Pechar

Politik

Molterer für Leistungsstaat statt Vollkaskostaat. | Erlöse aus Privatisierung zur Pflegefinanzierung. | Wien. Zum ersten Mal hielt Vizekanzler Wilhelm Molterer am Donnerstag, dem 15. Mai - einen Tag nach seinem 53. Geburtstag -, die "Rede zur Lage der Nation".


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 16 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Dem Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl kam die Aufgabe zu, die geladenen Gäste auf Molterer einzustimmen. Sehr angriffig gab er dabei seinem Chef auch gleich die Richtung vor: In Graz habe er jetzt seit 70 Tagen eine Koalition mit den Grünen, "für mich hätte es Charme, auch auf Bundesebene einmal eine solche Konstellation zu erleben". Wie das zu bewerkstelligen sei? "Wo ein Willi ist, ist auch ein Weg" - so einfach sieht das Nagl.

Ihm kam auch die Aufgabe zu, den Koalitionspartner zurecht zu stutzen. Der "Reise- und Freizeitkanzler" hole sich gerade beim Genossen Klima in Argentinien Ratschläge, was man machen müsse, um als Bundeskanzler abgewählt zu werden. Die SPÖ bezeichnete Nagl als "Nörgler- und Vielversprecherpartei".

Molterer gab sich dagegen staatstragend. Die ÖVP sieht er in der Mitte der Gesellschaft, denn "Verantwortungspolitik ist Politik der Mitte und Absage an Extreme". Diese Politik brauche einen "werteorientierten Rahmen". Der Kern dieses österreichischen und europäischen Lebensmodells sei die soziale Marktwirtschaft. Wer soziale Sicherheit wolle, müsse aber zuerst Freiheit und Leistung ermöglichen. In diesem Sinn erteilte der Finanzminister dem "Vollkaskostaat" eine Absage. "Wir brauchen den Leistungsstaat und die Verantwortungsgesellschaft."

Österreich brauche drei Fundamente: Erstens die wirtschaftliche Kraft, zweitens eine Teilhabe der Menschen am Wohlstand und drittens den Zusammenhalt der Gesellschaft.

Von der Wirtschaft verlangt der Parteichef, dass sie sich am technologischen Fortschritt beteiligt, dass sie aber auch soziale Verantwortung wahrnimmt und "moralisch nicht mehr vertretbare Manager-Gagen" überdenkt. Außerdem legte Molterer ein Credo für weitere Privatisierungen - etwa bei den ÖBB - ab.

Wobei wir beim zweiten Fundament sind: Einnahmen aus Privatisierungen und Spielräume im Budget will Molterer für einen "Österreich-Fonds" für die sozialen Kosten von morgen, sprich die Pflege, verwenden. Damit entfielen die Regressforderungen an Angehörige und bei der Pflege zu Hause dürfe das Vermögen nicht mehr berücksichtigt werden.

In der Gesundheitsdebatte lud er die Kritiker ein mitzudiskutieren: "Ein Nein löst keine Probleme, daher herbei mit den guten Ideen." Beim Thema Bildung forderte der ÖVP-Obmann einmal mehr Wahlfreiheit und Vielfalt ein. Ziel sei nicht, für alle das Gleiche, sondern für jeden das Beste. "Für die ÖVP ist kein Unterschied zwischen einem Master und Meister."

Für das dritte Fundament, den Zusammenhalt der Gesellschaft, mahnte Molterer einerseits mehr Verantwortung der Medien ein - vor allem beim Opferschutz -, andererseits sang er ein Loblied auf die Familie: Es werde keine Steuerreform geben ohne Entlastung der Familie und ohne dabei die Selbständigkeit der Frau in Frage zu stellen. "Wo mehr Kinder sind, soll weniger Steuer bezahlt werden. So einfach ist das."

Mehr zum Thema:Reaktionen

+++ Hauptstadtszene : Auf George Washingtons Spuren