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Am ehemaligen Standort des Ganslwirt finden obdachlose Frauen ab sofort Schutz.
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Wien. Dass Männer die "Ester" betreten, bleibt am Tag der offenen Tür eine Ausnahme. Die neue Sozialeinrichtung des Fonds Soziales Wien soll sich nämlich speziell auf die Bedürfnisse wohnungsloser und der von Wohnungslosigkeit bedrohten Frauen konzentrieren. Und deren Kindern miteinbeziehen. Männer sind hier nicht erlaubt - es ist ein Angebot von Frauen für Frauen. "Die Nutzerinnen erleben die Ester dadurch als einen Schutzraum, in dem sie sich frei und ohne Angst und Zwänge bewegen können. Dieses Gefühl ist entscheidend für unsere Betreuungsarbeit", sagt "wieder wohnen"-Geschäftsführerin Monika Wintersberger-Montorio.
Frauen schämen sich für
Wohnungslosigkeit
Am ehemaligen Standort des
Ganslwirt in der Gumpendorfer Straße finden obdachlose Frauen somit in Zukunft einen Ort, an dem sie sich zurückziehen können, Schutz und Beratung finden. Es werden jedoch nicht nur akut obdachlose Frauen unterstützt, sondern auch jene, die in Gewaltbeziehungen oder in verdeckter Wohnungslosigkeit leben. Häufig bekennen sich Frauen nicht zu ihrer Situation und leben daher bei Freunden, Bekannten oder in Zweckgemeinschaften. "Sie wollen das Konstrukt aufrechterhalten", meint "Ester"-Teamleiterin Gabriele Mechovsky und meint damit das Konstrukt eines normalen, geregelten Lebens, zu dem auch eine eigene Wohnung gehört. Dieses Verhalten vieler Frauen spiegelt sich auch in der Situation der Sozialeinrichtungen wider. Der Frauenanteil in den etwa 90 Einrichtungen der Wiener Wohnungslosenhilfe liegt bei knapp 30 Prozent.
Daher soll die "Ester" in Zukunft eine neue Anlaufstelle sein, wenn sich Frauen in gemischten Einrichtungen nicht wohlfühlen. Im Tageszentrum geht es darum, den Frauen die Möglichkeit und den Raum zu geben, ganz alltägliche Dinge zu erledigen. Sie können ihre Wäsche waschen, duschen, Essen kochen, einfach zur Ruhe kommen. Es gibt ein Raucherinnen-Zimmer und Spinde, in denen die Frauen ihren Besitz verstauen können. 50 Frauen finden in der "Ester" an fünf Tagen in der Woche Platz. Übernachtungsmöglichkeit gibt es keine. Weiters sollen den Frauen künftig auch Rechtsexperten und Gynäkologen für Beratungsgespräche zur Verfügung stehen. Für die Betreuung der Frauen sorgt ein Team von fünf Sozialarbeiterinnen und vier Betreuerinnen.
In dafür vorgesehenen Beratungszimmern können die Frauen gemeinsam mit den Betreuerinnen und Sozialarbeiterinnen über ihre persönliche Situation sprechen. Sie erhalten von ihnen Informationen und Hilfe, wenn sie beispielsweise auf der Suche nach einer geeigneten Wohnung oder einem betreuten Wohnplatz sind. Sie müssen aber nicht - den
Frauen wird nicht vorgeschrieben, welche Angebote der "Ester" sie nutzen sollen und welche nicht. Sie können selbst entscheiden, wann sie welche Schritte in ein geregeltes Leben gehen wollen und wie lange sie dafür brauchen.
Das Tageszentrum "Ester" ist jedoch nicht das erste seiner Art. Während sich das "Frauenwohnzimmer" der Caritas in Leopoldstadt speziell um psychisch kranke Frauen kümmert, wolle "Ester" den Schwerpunkt, laut Teamleiterin Mechovsky, auf die Betreuung von Frauen mit Kindern setzen. Man wolle sich bemühen, "Ester" zu einem sicheren Ort für Mütter und deren Kinder zu machen. Ist die Nachfrage groß genug, soll es auch eine eigene Kinderbetreuung geben.
Außerdem soll "Ester" eine Anlaufstelle für von Gewalt betroffene Frauen sein. Die Einrichtungen ergänzen sich durch ihre Angebote also gegenseitig. Da das "Frauenwohnzimmer" auch ein Nachtnotquartier anbietet, können "Ester"-Besucherinnen auch dorthin vermittelt werden, wenn sie kein geeignetes Nachtquartier mehr finden. "Es herrscht Koordination, wir sind keine Konkurrenten", erklärt "Ester"-Teamleiterin Mechovsky die Situation und Zusammenarbeit der beiden Frauen-Zentren.
Lesungen, Malwerkstatt,
Selbstverteidigungskurse
Einen ersten Probebetrieb des Tageszentrums gab es bereits im August, heute, Dienstag, wird der Vollbetrieb gestartet.
Auch Frauen, die im 6. Bezirk leben und arbeiten werden in das Projekt "Ester" mit eingeschlossen. Mit offenen Veranstaltungen wie Lesungen, einer Malwerkstatt und Selbstverteidigungskursen werden künftig auch Frauen aus der umliegenden Nachbarschaft eingeladen.
Wichtig für den künftigen Erfolg der Einrichtung "Ester" ist das Wissen über deren Service und Angebot. "Der Tag der offenen Tür war sehr wichtig, damit auch andere soziale Einrichtungen und Beratungsstellen von der Einrichtung wissen und Frauen schicken können. Außerdem wird der Aufenthalt draußen im Freien für Wohnungslose angesichts der niedrigen Temperaturen zu dieser Jahreszeit immer schwieriger. Der Betrieb in der Ester wird sich in zwei bis drei Monaten eingespielt haben", zeigt sich Iraides Franz, Pressesprecherin des Fonds Soziales Wien, optimistisch.