"Kunstnatur" nannte sie Robert Musil: In Parks und Gärten treffen Natur und Kultur, Kreatur und Kreativität aufeinander. Berlin hat hier einiges an Außergewöhnlichem zu bieten.
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Berlin ist eine der grünsten Metropolen Europas. Von riesigen Wäldern und Forsten, deren bekanntester der Grunewald ist, über die mehr als 70.000 Kleingärten, hier "Laubenpieper" genannt, bis zu den hunderttausenden Allee- und Straßenbäumen keimt, sprießt und blüht es allenthalben. Fast die Hälfte der gesamten Stadtfläche ist von Äckern und Wiesen, Sümpfen und Fließen, Wäldern, Friedhöfen, Sportanlagen, Freibädern, Flüssen und Seen bedeckt.
Das macht die Stadt schon einmal lebenswert. Liebenswert und faszinierend aber machen sie ihre gärtnerisch gestalteten Plätze und Grünzüge, ihre Parks und Landschaftsgärten. In der Hand des Stadtsenats und der bezirklichen Gartenämter liegen rund 2500 solcher Erholungsflächen, die liebevoll geplant, gepflegt und entwickelt werden wollen.
Selbst der unzulänglichste Überblick würde diese Kolumne sprengen, aber ein paar ausgewählte Gustostückerln will ich heute präsentieren. Beginnen wir gleich mit einer Sensation: Im drittgrößten Botanischen Garten der Welt wird gerade das zweitgrößte Tropenhaus der Welt in einem aufwändigen und spektakulären Verfahren saniert. Die augenfälligste Neuerung dürften zwei 16 Meter hohe senkrechte Umluftrohre mit zweieinhalb Metern Durchmesser sein. Sie sind als riesige Urwaldbäume getarnt und sollen die nach oben steigende warme Luft nach unten absaugen.
Doch schon bei seiner Errichtung vor 101 Jahren war das gläserne Tropenhaus ein architektonisches Wunder, denn es kommt mit seinen Riesenausmaßen-30 Meter breit, doppelt so lang und 25 Meter hoch- ohne eine Stütze oder Säule im Inneren aus. Umgeben ist es von einem 430.000 Quadratmeter großen Landschaftspark, in dem es 22.000 verschiedene Pflanzenarten zu entdecken gibt. In der "Pflanzengeographischen Abteilung" kann man an einem erholsamen Nachmittag eine botanische Reise rund um den Globus absolvieren. Etwa zu den Tomillares, das sind beweidete Kalkfelsheiden der Iberischen Halbinsel, zu den Steppen Turkestans oder zur mittelamerikanischen Langgras-Prairie.
Ähnlich weitgereist kehrt der Besucher aus dem Erholungspark Marzahn zurück. Mitten im östlichen Neubaugebiet findet er auf 21 Hektar Gartenkunst aus aller Welt. Den Anfang machte im Herbst 2000 der "Garten des wiedergewonnenen Mondes", der größte chinesische Garten Europas. Die Anlage wurde von Facharbeitern aus Peking ausgeführt, in rund 100 Seecontainern wurden alle kostbaren Hölzer, Steine, Skulpturen und Möbel nach Berlin gebracht.
Im Mai 2003 folgte der japanische "Garten des zusammenfließenden Wassers", eine in sich geschlossene Gartenwelt mit Pavillon, Teich, Wasserläufen, Trockengarten und imposanten Steinsetzungen. Wenige Wochen später öffnete der Balinesische "Garten der drei Harmonien" seine Pforten.
Er zeigt neben der tropischen Pflanzenwelt einen Ausschnitt aus einem traditionellen balinesischen Wohnkomplex. Der "Koreanische Garten" mit Höfen, Figurenschmuck und Pavillon ist ein Geschenk der Stadt Seoul.
Eine Zeitreise in die italienische Renaissance bietet der "Giardino della Bobolina", dessen Name auf die florentinischen Boboli-Gärten anspielt. Ein Hauch von Barock weht über dem "Irrgarten", der nach dem Vorbild von Hampton Court gestaltet wurde. An die Gotik erinnert das steinerne Boden-Labyrinth nach dem Vorbild von Chartres. Das nächste Projekt wird ein Christlicher Garten ein.
Der orientalische "Garten der vier Ströme" symbolisiert die Mutter aller Gärten: das Paradies. Sie können es finden-in Berlin!
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