Kein guter Manager könnte es sich leisten, keine Alternative in der Hinterhand zu haben. Europas Politiker hingegen agieren offenbar genauso. Ist dies Taktik oder Verantwortungslosigkeit?
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Immer wieder werden Politiker interviewt und dabei befragt, ob es wohl einen "Plan B" gäbe, also einen Alternativplan, falls der aktuell von ihnen verfolgte Plan nicht erfolgreich wäre. Wie Amen im Gebet folgt die Antwort: Nein, denn der oder die Befragte ist davon überzeugt, dass ohnehin die richtige Entscheidung getroffen worden ist, die das Problem lösen wird.
Für den Staatsbürger stellt sich die Frage, ob die Antwort gelogen oder ehrlich ist. Ist sie eine Lüge, kann man es als politische Taktik durchgehen lassen. Ist es aber die Wahrheit, dann handelt es sich dabei um eine hochgradige Verantwortungslosigkeit. Denn kein guter Manager könnte es sich leisten, keine Alternative für den Fall zu haben, dass ein Investitionsprojekt wider Erwarten scheitert.
Griechenlands Schuldenkrise ist ein Paradebeispiel für das bisher Gesagte. In keiner Phase der aufeinander folgenden Stützungsmaßnahmen hat ein führender Politiker für den Fall, dass Griechenland doch in die offene Insolvenz schlittern sollte, die Existenz eines "Planes B" zugegeben. Das Schlimme ist, dass sie wohl die Wahrheit gesprochen haben, wenn man das unglückliche Handling der Krise betrachtet.
Die überwiegende Mehrheit der Ökonomen ist der Meinung, eine Insolvenz Griechenlands sei unvermeidbar. Dennoch hat die Politik für diesen Fall keinen Aktionsplan, sondern lässt sich von den Ratingagenturen und Finanzmärkten vor sich hertreiben und segnet mit jedem neuen Rettungspaket die Spekulationsgewinne der einschlägigen Finanzmarktplayer ab. Gleichzeitig steigen die Begehrlichkeiten nach noch größeren "Rettungsschirmen", es ist bereits die Rede von zwei Billionen Euro.
Wir brauchen daher für Griechenland und möglicherweise auch für Portugal dringend einen "Plan B", und der muss auf Basis einer geordneten Insolvenz alle notwendigen Maßnahmen zur Verhinderung von Ansteckungseffekten weiterer Euroländer beinhalten (inklusive weiterer unkonventioneller Maßnahmen der Europäischen Zentralbank).
Wie schon einmal an dieser Stelle argumentiert, muss den Griechenland-Gläubigern eine ganze Palette an Instrumenten angeboten werden (Laufzeitverlängerung, Zinsermäßigung, Forderungsabschläge im Rahmen von Verkäufen griechischen Vermögens an Gläubiger oder des Tausches in neue, wertgesicherte Griechenlandanleihen, etc.), aus denen sie à la carte wählen können.
Ein umfassender "Plan B" ist für die Euro-Zone nur durchsetzbar, wenn dadurch die Sanierungsdisziplin der betroffenen Länder nicht beeinträchtigt wird. Dies setzt erheblich erweiterte Kompetenzen der EU voraus, um nationale Budgetpolitiken zu kontrollieren und Abweichungen effektiv zu sanktionieren. Dazu müssten sich rasch alle nationalen Parlamente der Eurozone bekennen, um die Erfolgschancen für die notwendige EU-Vertragsänderung abzusichern.
Erhard Fürst war viele Jahre Leiter der Abteilung Wirtschaft/Industriepolitik in der Industriellenvereinigung.