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Wo Joe war, muss sich Donald gedulden

Von Konstanze Walther

Politik

Ohne den Swing State Florida geht es sich für US-Präsident Trump wohl nicht aus. Herausforderer Biden hatte die heiß umkämpfte Halbinsel erst vor einer Woche besucht: Trump wollte trotz Covid auch hin - doch nun macht er Wahlkampf im Weißen Haus.


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Eine alte Binsenweisheit aus US-Wahlkämpfen lautet: Demokraten können ohne Florida gewinnen. Aber Republikaner nicht ohne Florida.

Die Halbinsel gilt als Mutter aller Swing States - mit einer eigentümlichen Bevölkerungsstruktur, die sich so nirgends sonst in den USA wiederfindet. Pensionisten ziehen gerne dort hin, weil die Sonne scheint und die Steuern günstig sind. Auch Millionäre ziehen gerne hin, weil - die Sonne scheint und unzählige Möglichkeiten da sind, ihre Yachten auszuführen. In Miami lässt es sich schön am goldenen Pflaster Miami Beach vorbei an amerikanischen Art Deco Stil flanieren - ein paar Straßen und Brücken weiter ist man in ausgesprochenen Slum-Gegenden.

Wer auch gerne hinzieht, sind Latinos: Florida ist wegen seiner geografischen Situation von jeher die erste Anlaufstelle von Bootsflüchtlingen aus Kuba oder Haiti, auch Mexiko ist nur durch den relativ geschützten Golf von Mexiko von Florida getrennt. Flüge von Miami nach Cancún sind billig und unter zwei Stunden am Ankunftsort. Auch immer mehr Flüchtlinge aus Venezuela finden sich in Florida ein - die zwar nicht wählen dürfen, aber für republikanisch geneigte Wähler die Angst vor dem "Sozialismus" wach halten. Auch die eingebürgerten Kubaner sind im Regelfall vor dem Sozialismus auf ihrer Insel geflohen und wollen dem in den USA in weitem Bogen aus dem Weg gehen.

Es ist also schwierig, ein Wahlprogramm zu basteln, das alle Menschen in Florida anspricht. Aber in dem Bundesstaat sind immerhin 29 Wahlmänner zu holen. Damit verteilt Florida unter den Swing States die meisten Stimmen (insgesamt braucht der Wahlsieger 270 Stimmen) - und ist am unberechenbarsten. Donald Trump hat 2016 Florida mit 112.000 Stimmen gewonnen. Das war hauchdünn: In dem Bundesstaat leben 21 Millionen Einwohner. Der Demokrat Barack Obama hatte 2008 und 2012 auch knapp (wenngleich nicht so knapp) Florida gewonnen. Davor punktete der Republikaner George W. Bush zweimal. Dass der Wahlsieger immer auch Florida bekommen hat, ist nicht von ungefähr.

Wie Florida wählt, ist damit zentral im US-amerikanischen Wahlkampf. Und derzeit sieht es danach aus, als würde Florida an den Demokraten Joe Biden gehen. Die Experten der Webseite 538 prognostizieren derzeit, dass Biden 51,3 Prozent der Stimmen der Halbinsel bekommt und Donald Trump nur 47,9 Prozent. Miteingerechnet in diese Prognose sind Umfragewerte sowie demografische Wahrscheinlichkeiten.

Denn vor allem die floridianischen Senioren sind über das Management der Covid-Krise unglücklich. Die Gruppe "Republikaner gegen Trump" hatte im Juli etwa eine Fokus-Gruppe von konservativen Florida-Wählern befragt - alle sieben hatten 2016 für Trump votiert. Alle sieben sind sich dieses Mal nicht so sicher - und nennen die Pandemie als Hauptgrund.

Biden distanzierte sich deutlich vom Sozialismus

Was also wichtig ist: in Florida Flagge zeigen. Beide Kandidaten gehen keinem Gesichtsbad auf der Halbinsel aus dem Weg. Joe Biden war vor einer Woche dort - ausgerechnet, als Trumps Corona-Diagnose bekannt wurde. Biden sprach unter anderen mit kubanischen und haitianischen Migranten, nannte Venezuelas Machthaber Nicolás Maduro "ganz klar einen Diktator" und erinnerte seine Zuhörer daran, dass er kein Sozialist sei. "Erinnern Sie sich: Ich bin der, der gegen den Sozialisten angetreten ist", erklärte Biden in Anspielung auf Bernie Sanders, mit dem er bis zuletzt um das demokratische Ticket gekämpft hatte.

Biden sprach aber auch über die anderen Themen, die ebenfalls in Florida interessant sind: Gesundheitsvorsorge und Klimawandel - denn auf einer Halbinsel sind die steigenden Meeresspiegel merkbarer als in Arizona, und auch die Hurrikan-Saison wird in Florida immer heftiger.

Trump kann aber Biden natürlich Florida nicht kampflos überlassen.

Und so wollte der US-Präsident auch dieses Wochenende auch wieder hin. Der Bundesstaat ist zu kostbar, um auf ärztliche Ratschläge zu hören. Während Trump vergangenes Wochenende noch Sauerstoff im Walter-Reed-Militärkrankenhaus verabreicht bekommen hatte, wollte er schon vor Menschen auftreten, erklärte er im Telefoninterview mit dem TV-Sender Fox News.

In dem 20-minütigen Fernsehinterview musste Trump zwei Mal mitten in einem Satz wegen Problemen mit der Stimme und Husten pausieren. Später ruderte man im Weißen Haus zurück: Trump werde wohl doch nicht vor Montag Wahlkampftritte absolvieren. Es sei unwahrscheinlich, dass er am Wochenende reisen werde, sagte ein Regierungsmitarbeiter am Freitag. Stattdessen plant er am Samstag eine Veranstaltung im Weißen Haus. Trump werde dabei persönlich anwesend sein, berichtete der Nachrichtensender CNN unter Berufung auf Präsidialamtskreise. Weitere Einzelheiten wurden nicht genannt.

Der kommende Samstag werde der zehnte Tag nach Trumps positivem Coronavirus-Test am Donnerstag vergangener Woche sein, schrieb Leibarzt Sean Conley in einem Gesundheits-Update. Zehn Tage gelten generell als die Zeit, nach der Corona-Patienten nicht mehr ansteckend sind. Allerdings weisen Experten darauf hin, dass dies vor allem für leichte Fälle gelte und der Zeitraum unterschiedlich sein kann. "Ich denke nicht, dass ich ansteckend bin", erklärte Trump zuvor, am Donnerstagmorgen, in einem ersten Telefoninterview mit Fox.

Medikament beruhte auf von Trump vereitelter Forschung

Der experimentelle Medikamenten-Cocktail, der Trump im Spital verabreicht worden ist, wurde zuerst in Zellkulturen getestet, die auf fötalem Gewebe beruhen - das nach einer Abtreibung gewonnen worden war. Auch das Corona-Medikament Remdesivir beruht darauf. Trump selbst hatte 2019 die Förderung von Forschung an fötalem Gewebe gestoppt - und die "Würde des Lebens" in den Vordergrund gestellt. Auch die Legalität von Abtreibungen gilt wegen der voraussichtlich neuen Konstellation am Supreme Court als gefährdet.