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Wo Kinder für Kinder sorgen

Von Claire Keeton

Wissen

Nomfanelo ist in diesem Monat 18 Jahre alt geworden. Doch feiern wollte sie nicht. Wie sollte sie auch, sie hat Wichtigeres zu tun. Die Jugendliche hat drei Kinder zu versorgen, einen fünfjährigen Jungen und ein einjähriges Zwillingspärchen. Es sind nicht Nomfanelos eigene Kinder: Sie sind Aids-Waisen, drei von über einer halben Million in Südafrika.


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Ihre Mutter ist im vergangenen Jahr an Aids gestorben, genauso wie Nomfanelos eigene Mutter vor einigen Jahren. Die Immunschwächekrankheit hat sich wie eine biblische Plage in dem Land am Kap ausgebreitet. Besonders die Kinder leiden: Eine Million Aids-Waisen wird es 2005 in Südafrika geben, zwei Millionen im Jahr 2010, wie die UN-Hilfsorganisation UNAIDS schätzt.

"Meine Tante wollte, dass ich mich um ihre drei Kinder kümmere, wenn sie stirbt. Ich habe es ihr versprochen", erzählt Nomfanelo. Ihr Onkel ist selbst krank und abgemager. "Früher hatte ich Zeit für meine Freunde, ich konnte Sport treiben und in die Kirche gehen. Jetzt geht das nicht mehr", sagt die 18-Jährige. Zeit zur Entspannung findet Nomfanelo keine, seitdem die Aids-Epidemie sie plötzlich ins Erwachsenenleben katapultiert hat.

Eltern in Südafrika hinterlassen im Durchschnitt vier bis fünf Kinder, wenn sie an Aids sterben, sagt Kath Defilippi, Direktorin eines Zusammenschlusses von Krankenpflegestationen in der Provinz KwaZulu-Natal, wo die Krankheit am schlimmsten grassiert. Sie steht rund 350 elternlosen Haushalten wie dem von Nomfanelo zur Seite, besorgt Essen und Medikamente, gibt Erziehungstipps, vermittelt Darlehen und hilft bei Beerdigungen. "Es gibt so viele Haushalte, die von Kindern geführt werden. Denen helfen wir, so gut wir können", sagt Defilippi. "Einmal haben wir Kinder gefunden, die seit drei Tagen nichts mehr zu Essen hatten." KwaZulu-Natal sei schon immer arm gewesen. Jetzt, unter dem Eindruck der Aids-Epidemie, sei die Armut richtig "schrecklich" geworden.

In keiner Region der Welt hinterlässt Aids so viele Opfer wie in Afrika. Von weltweit 36 Millionen Infizierten leben laut UNAIDS 25 Millionen südlich der Sahara. 2,4 Millionen der jährlich drei Millionen Aids-Toten sind dort zu beklagen.

Eine Sozialarbeiterin hat sie Nomfanelo überredet, die Kinder vorläufig in ein Heim zu geben. So hat sie ein wenig Zeit, für ihre Schul-Abschlussprüfungen zu büffeln. Die junge Ersatzmutter möchte später Sozialpädagogik studieren, "um anderen zu helfen", wie sie sagt. "Ich weiß, dass das hart wird. Aber ich werde fleißig arbeiten, um das zu schaffen und um später eine Stelle zu finden." Ihr größter Wunsch ist es aber, "ihre" Kinder sobald wie möglich nach Hause zurückzuholen.