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Muslime fühlen sich in islamischen Schulen daheim. | Libyen und Iran als Schulerhalter. | Wien. Es obliegt der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) einer Schule den Status einer konfessionellen islamischen Schule zu verleihen.
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Insgesamt vier solche Schulen mit Öffentlichkeitsrecht gibt es laut IGGiÖ in Österreich. Alle folgen dem österreichischen Lehrplan, haben österreichische Lehrer und Deutsch als Unterrichtssprache. Schulerhalter ist jeweils ein privater Verein. Kennzeichnend sind islamischer Religionsunterricht, Schüler aus muslimischen Familien und Fächer zur religiösen Vertiefung wie Koran, Arabisch oder islamische Geschichte.
14 Nationen vertreten, man spricht Deutsch
Nur wenige Gehminuten voneinander entfernt sind in Wien 15 die Islamische Volksschule in der Ullmannstraße 63 und das Islamische Gymnasium in der Rauchfangkehrerstraße 34/6. Das Fördern einer österreichisch-islamischen Identität nennen beide als Ziel. Auch christliche Schüler seien willkommen. Die Werbung von islamischen Vereinen und Moschee-Plattformen sorgt für ausreichenden Nachwuchs.
Volkschuldirektor Josef Lanzl ist überzeugt, dass Integration in der Ullmannstraße gefördert wird. "Durch österreichische Heimatkunde, Verkehrserziehung der Polizei und Besuche bei Feuerwehr und Post lernen die Kinder auf natürliche Weise diese Gesellschaft kennen. Wir erklären den Kindern auch christliche Feste." Den Vorteil einer islamischen Schule sieht Lanzl in der Atmosphäre. "Die Kinder fühlen sich daheim, es gibt keine Spannungen zwischen muslimischen und nicht-muslimischen Kindern. Gutes Benehmen, Respekt vor Eltern und Lehrern gehören zum Schulprofil."
Über 95 Prozent aller Schüler sind nicht-deutscher Muttersprache. Insgesamt sind 14 Nationen vertreten, davon ist etwa ein Drittel türkisch, ein weiteres Drittel bosnisch, der Rest kommt aus arabischen Ländern, dem Iran, Afghanistan, Pakistan u. a. "Wir schauen, dass keine Nation dominiert, damit hier Deutsch gesprochen wird."
"Zerrissenheit der Kinder fördert Ghettobildung"
Lanzl wählt die Lehrer selber aus. Dabei achtet er primär auf pädagogische Fähigkeiten und Einfühlungsvermögen. Die Frage, ob der Besuch nicht-konfessioneller Schulen der Integration förderlicher ist, hält Josef Lanzl für berechtigt. Freilich: "Kinder mit islamischer Identität sind besser befähigt, mit anderen Schülern in Beziehung zu treten, als zerrissene Kinder, die nicht wissen, ob sie Türke, Muslim oder Österreicher sind. Diese Zerrissenheit fördert Abkapselung und später Ghettobildung. Wir wollen, dass sich die Schüler einmal als muslimische Bürger dieses Landes sehen. Die Früchte werden wir in 10 bis 20 Jahren sehen. Unsere Schule gibt es erst seit vier Jahren."
Ein noch breiteres islamisches Zusatzangebot bietet die Rauchfangkehrerstraße. Iscel Ahmet, stellvertretender Schulsprecher, ist von seiner Schule begeistert. "Am Samstag gibt es intensiven islamischen Zusatzunterricht", erzählt er. "In den längeren Pausen dazwischen spielen wir Basketball und Fußball. Die Islamlehrer sind am Samstag nicht so streng."
Das Gymnasium in der Rauchfangkehrerstraße gibt es seit über sieben Jahren. Iscel findet, dass sich seine Schule nur gesellschaftlich von anderen Schulen unterscheidet. "Die Gesellschaft passt hier total zusammen. Freunde erzählen mir von Rassismus unter Schülern wie Lehrern in anderen Schulen. Bei uns gibt es das nicht. Die Kommunikation zwischen den Schülern passt besser."
Iscel ist in Österreich geboren, seine Eltern kommen aus der Türkei. Er selber möchte nicht in die Heimat seiner Eltern zurück. "Ich bin Österreicher, was soll ich in der Türkei?" Kontakt zu Österreichern hat Iscel vor allem durch seine Beschäftigung als Landesobmannstellvertreter der Wiener Schülerunion.
Amir Zaidan, Dozent an der Islamischen Religionspädagogischen Akademie und Leiter des Religionspädagogischen Institutes, ist mit solchen Schulen nicht zufrieden. "In Österreich gibt es zwar islamische Kindergärten und Schulen, doch in der Realität unterscheiden sie sich kaum von den anderen. Das Lehrpersonal ist meist nichtmuslimisch und die Lehrpläne werden einfach übernommen."
Kein islamisches Profil oder Bildungskonzept
Es gebe, so Zaidan, "weder ein islamisches Erziehungskonzept, noch ein islamisches Profil und vor allem kein fächerübergreifendes Bildungskonzept. Dieser gut gemeinte Etikettenschwindel´ zeigt fundamentale Probleme der Muslime in der Diaspora". Zaidan fordert islamologisch korrekte Lehrpläne und hofft über eine Stiftung seine Vorstellungen von islamischer Schulbildung in Österreich durchzusetzen.
Die nichtkonfessionelle "Arabische Schule Wien" hat derzeit kein Öffentlichkeitsrecht. Ähnlich ist die Situation der 1985 gegründeten Privatschule der islamischen Republik Iran Farabi. Deren Direktor, Hossein Dehnadi, erzählt, dass auch er sich um das Öffentlichkeitsrecht bemüht.
Die Arabische Schule wurde 1983 gegründet und wird seither vom libyschen Staat finanziert. Schulerhalter ist das Libysche Volksbüro. Deutsch, Englisch und EDV werden von der ersten Volksschulklasse an unterrichtet, ansonsten folgen alle zwölf Schulstufen dem libyschen Lehrplan.
Unter den Schülern befinden sich nicht nur österreichische, sondern auch Kinder arabischer Botschaftsangehöriger. Mit dem libyschen Schulabschluss können sie an jeder anderen Universität studieren.
Eine Schule ohne Öffentlichkeitsrecht muss neben der Schulerhaltung auch das Lehrpersonal bezahlen, und das kommt teuer.
"Wir bemühen uns seit 1999 das Öffentlichkeitsrecht vom Bildungsministerium und Wiener Stadtschulrat zu bekommen", erzählt der Direktor Hussein Elshebli. Mittlerweile wird neben dem libyschen auch der österreichische Lehrplan angeboten. Für Kinder mit österreichischer Staatsbürgerschaft gilt Deutsch als Muttersprache. Künftig wird der österreichische Lehrplan verpflichtend sein und durch den libyschen Lehrplan nur mehr ergänzt werden.
Langwieriger Kampf um Öffentlichkeitsrecht
Doch der Kampf ums Öffentlichkeitsrecht blieb bisher erfolglos. Elshebli legt der "Wiener Zeitung" Stapel von Akten vor, die eine lange Korrespondenz zwischen Bildungsministerium, Stadtschulrat und Schule dokumentieren. Jüngste Forderung des Bildungsministeriums war, den gesamten libyschen Lehrplan der Volks- und Mittelschule ins Deutsche zu übersetzen, was bereits begonnen wurde.
Der Status einer konfessionellen Schule würde den Weg zum Öffentlichkeitsrecht zwar erleichtern, doch genau daran ist man hier nicht interessiert. "Zwar sind unsere Schüler großteils Muslime, aber es gibt nicht mehr Religionsunterricht als in irgendeiner österreichischen Schule", berichtet ein österreichischer Deutschlehrer.
Die Seite der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ): http://www.derislam.at/