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Wo nur noch Wunder helfen

Von Georg Christoph Heilingsetzer

Reflexionen
Die Geburtsstadt Jesu ist für ihre Bewohner fast zum Gefängnis geworden: Gewitterstimmung in Bethlehem.
© Heilingsetzer

Wie ich mich mit einem dicken Bilderbuch kindlicher Erinnerungen als Reiseführer nach Israel aufmachte.


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Als ich ein Kind war, glaubte ich wie wohl alle Altersgenossen, die Geschichte von Jesus, dem König der Juden, sei nichts anderes als ein trauriges Märchen. Genau erinnere ich mich daran, wie wir die alttestamentarische Begebenheit mit dem brennenden Strauch, den die fromme Religionslehrerin freilich "Dornbusch" nannte, oder den einmal über den See Genezareth schreitenden, ein andermal sein schweres Kreuz auf den Berg hinauf schleppenden Jesus, mit langen Haaren und Vollbart, zeichneten oder malten. Eines meiner Werke durfte ich sogar in der "VKB", wie wir die nächstgelegene Bankfiliale in der Linzer Ziegeleistraße nannten, ausstellen, wo es heute vermutlich nicht mehr hängt.

Jedenfalls hatte ich, wenn ich später an Israel dachte, immer diese Bilder im Sinn. Ganz hartnäckig hielten sie sich in meinem Gedächtnis und mich, weit mehr, als es die Warnungen der Mutter später taten, davon ab, dieses Land zu besuchen. Erst in den letzten eineinhalb Jahrzehnten, als ich mich mit dem Judentum, der Religion, den Traditionen und der Geschichte des "auserwählten Volkes" befasste, und durch meine Zeit im Wiener Jüdischen Altersheim, wo ich nicht nur von den furchtbaren Schicksalen der Hochbetagten in der Shoah erfuhr, sondern auch eine Seelenverwandtschaft mit einer Überlebenden, die nur einen Steinwurf von meiner ehemaligen Wiener Wohnung entfernt aufgewachsen und von dort vertrieben worden war, entdeckte, reifte der Gedanke in mir, diesen Flecken Erde, dem wahrlich nicht mehr der Ruf eines Märchenlands vorauseilt, doch einmal zu besuchen. So kam es, dass ich mich mit einem dicken Bilderbuch kindlicher Erinnerungen als Reiseführer nach Israel aufmachte.

Die brütende Hitze, die im Sommer das Land beschwert, war gerade verflogen, doch auch der Herbst brachte nicht jene angenehmeren Temperaturen, die wir in Mitteleuropa kennen. Zunächst zog es mich in den Norden, nach Galiläa. An diesem Tag bereiteten sich in Safed, dem Zentrum der jüdischen Mystik, die frommen Juden mit rituellen Waschungen gründlich auf Yom Kippur vor.

Dass das Versöhnungsfest nahte, ließ mich bereits eine Begebenheit erahnen: Ohne dass wir ein Wort gewechselt hätten, beschenkte mich ein junger orthodoxer Jude mit frischem Backwerk, doch noch ehe ich ihm zu danken vermochte, bat er mich auch schon, den Verschluss seiner Trinkflasche zu öffnen. Quid pro quo, jetzt haben wir einander gute Taten gesichert, dachte ich, bevor ich die drei köstlichen Plunderschnecken verspeiste.

Später schlenderte ich durch die Gassen, schnappte jiddische Wortfetzen auf, ging vorbei an den Ateliers und Galerien und gelangte in eine Käserei. Haim, der Besitzer, erzählte stolz, dass er schon in der siebenten Generation Käse erzeuge, noch glücklicher schien er aber darüber, dass Safed das Zentrum der Kabbala sei, was die singende Madonna aus Amerika bereits mehrfach angelockt habe.

An den Gestaden des Sees Genezareth.<!-- [if gte mso 9]><![endif]--><!-- [if gte mso 9]>Normal021falsefalsefalseDE-ATX-NONEX-NONE<![endif]--><!-- [if gte mso 9]><![endif]--><!-- [if gte mso 10]><![endif]-->
© Heilingsetzer

Von Safed fuhr ich nach Tiberias. Der See Genezareth lag in der Abendsonne ebenso da, wie ich es mir immer ausgemalt hatte, friedvoll und ruhig, und natürlich versuchte ich das Gewässer, erfüllt von einem blasphemischen Gefühl der Schwerelosigkeit, das mir die Religionslehrerin sicher nie verziehen hätte, zu überqueren, wobei ich mir allerdings nicht Jesus beim Gang über das Wasser, sondern den unerschrockenen Sigi Bergmann, Sportreporterheld meiner Kindheit, beim Lauf über glühende Kohlen vorstellte. Jede Zeit hat wohl ihre besonderen Ikonen, dachte ich, und watete durch das lauwarme Nass, das mich bald gänzlich umhüllte.

Geisterstadt

Noch ehe die Mondsichel hinter dem Golan verschwinden konnte, glich Tiberias, neben Safed, Jerusalem und Hebron eine der vier heiligen Städte der Juden, einer Geisterstadt. Niemand wagte sich mehr in die Finsternis, denn mit dem ersten Stern am Himmel war Yom Kippur angebrochen. An diesem hohen Feiertag, den die Juden gewöhnlich fastend und betend in ihren Häusern verbringen, werden die Fernsehprogramme abgeschaltet, in den jüdischen Dörfern und Städten steht das öffentliche Leben völlig still, während es in jenen Gebieten, die von arabischen oder christlichen Menschen bewohnt werden, seinen normalen Lauf nimmt.

Ich verließ Tiberias und seine Grabesstille und begab mich in die Dörfer auf dem Golan, die von Drusen, die die Geheimnisse ihres genau 1.000-jährigen Glaubens hüten wie einen Schatz, bewohnt werden. Nachdem ich die besten Falafel meines Lebens gegessen hatte, kehrte ich am Abend an den See Genezareth zurück. Jetzt waren die Leute wieder aus ihren Häusern gekommen, Kinder tollten auf den Straßen umher, denn der Verkehr ruhte noch immer.

Mutter aller Kibbuzim

Verlässt man den See Genezareth in südlicher Richtung, gelangt man zum Kibbuz Deganya Alef. Nahe dem Ausfluss des Jordan aus dem See gelegen, war die "Mutter aller Kibbuzim" als erste kollektiv verwaltete Siedlung im Jahr 1910 von weißrussischen Zionisten gegründet worden, nach deren Vorbild in der Folge fast 300 weitere Kibbuzim angelegt wurden. Zwar haben sich diese in der nach marktwirtschaftlichen

Greißler im Kibbuz Deganya Alef.
© Heilingsetzer

Gesichtspunkten organisierten Realität Israels in den letzten Jahrzehnten weit von den idealtypischen sozialistischen Dörfern entfernt, trotzdem bekam ich den Eindruck, dass sich das Gemeinwesen von Deganya A, wie der Ort abgekürzt genannt wird, von jenem eines gewöhnlichen Dorfes ziemlich unterschied.

Die landwirtschaftlichen Maschinen waren in großen Hallen geparkt, für das Vieh standen geräumige Ställe zur Verfügung. Einige ältere Menschen gingen ihrer Wege, die junge Männer auf Traktoren kreuzten. Etwas Lärm drang vom Schwimmbad heraus, das eine junge Frau mit ihrem Kind gerade verließ. "Ich heiße April, wie der Monat", stellte sie sich in englischer Sprache vor.

Mehrere hundert Chawerim, wie die Mitglieder des Kibbuz heißen, würden hier leben, einige Wohnungen seien aber auch an Studenten zur Miete vergeben. Die hohen Steuern würden sie nicht stören, versicherte April, die im örtlichen Bildungssystem arbeitet, im Gegenteil, es mache sie glücklich, dass etwa ältere Frauen dank des Gemeinschaftssinns zu den Sprachkursen in die "Schule für die Alten" chauffiert werden könnten. Dass sich der Name des 1910 gegründeten ersten Kibbuz von "dagan", dem hebräischen Wort für Getreide ableite, sei irreführend, denn man pflanze heute hauptsächlich Zitrusfrüchte, Wein und Bananen. Am wichtigsten seien für die Landwirtschaft aber die Rinder. "Alle Straßen führen zu den Kühen", sagte April lächelnd und begleitete mich ins Geschäft. Dort machte schnell die Nachricht die Runde, dass jemand aus Wien zu Gast ist. Man stellt mir eine Dame vor, diese heiße Elsa aus Wien.

"Welcher Bezirk?", fragte Frau Elsa, die selbst in Währing aufgewachsen sei, sich nun jedoch an einem Gespräch über ihre Herkunft nicht mehr interessiert zeigte. Wir standen einander gegenüber, ohne ein weiteres Wort zu wechseln, und mit jedem Augenblick des Schweigens spürte ich ihren Argwohn wachsen, bis sich Schuldgefühle bei mir einschlichen, die wie geräuschlose Einbrecher kamen, ohne dass ich sie daran hindern hätte könnte.

Symbole der drei monotheistischen Weltreligionen in der Hafenstadt Haifa.
© Heilingsetzer

Eine schwere Last fiel mir von den Schultern, als ich das Geschäft und den Kibbuz hinter mir gelassen hatte. Vorbei am markanten Berg Tabor, fuhr ich nach einer kurzen Rast in Nazareth, der von Christen und Muslimen bewohnten, heute wenig ansehnlichen biblischen Stadt, weiter nach Haifa, der wichtigsten Hafenstadt Israels und dem Weltzentrum des jungen Bahai-Glaubens. Die hängenden Gärten, die zum Schrein des Bab, des Wegbereiters dieser durch Baha’u’llah, der wie der Bab aus Persien stammte, gestifteten Religion führen, sind von weithin sichtbar.

Der Schrein des Baha’u’llah hingegen befindet sich in der wenige Kilometer nördlich gelegenen Stadt Akko. In diesem bezaubernden Ort, der im Lauf der Geschichte kaum eine ruhige Zeit erleben durfte, konnte ich die Spannungen zwischen Juden und Moslems so deutlich spüren wie nirgendwo sonst. Akko, wichtige Kreuzfahrerfestung des Mittelalters, war in der Vergangenheit nach gegenseitigen Provokationen immer wieder Schauplatz wüster Straßenschlachten zwischen jüdischen und arabischen Bewohnern geworden.

Skyline von Akko, der Kreuzfahrerstadt.
© Heilingsetzer

In diesen Scharmützeln spiegelt sich die Wirklichkeit dieses Landes wider, das zwei Völker zu Recht als das ihre beanspruchen, mit dem Unterschied, dass die Juden, die aus bekannten Gründen 2.000 Jahre schuldlos nicht zu Hause waren, über viel mehr Machtfülle verfügen als die Araber bzw. Palästinenser.

Moshe, der vor fast drei Jahrzehnten aus Marseille in diese entfernte Stadt am Mittelmeer gekommen war, um im Heiligen Land Arabisch zu lernen, war die Frage nach der Schuld gar nicht wichtig. "Es wird nichts besser, wenn wir die Antwort wissen", erklärte der Mann. Israel sei trotz allem das schönste Land der Erde, sagte er mit fröhlich glänzenden Augen, bevor sich seine Miene wie der Himmel vor einem Wolkenbruch verdunkelte. Denn so schön könne ein Land gar nicht sein, als dass man jene zwei Dinge, die man hier ganz schmerzlich vermisse, entbehren wolle: Frieden und Regen. Die Leute freilich, grübelte Moshe, würden beides nicht verdienen, es sei kein Wunder, dass alles vertrockne, außer seinem und vieler anderer Menschen Durst nach Frieden.

Moshe, verheiratet mit einer Jüdin aus Russland, verfluchte die Rede vom auserwählten Volk, die vermessen sei und viel Schaden über die Menschen gebracht habe. Unsere Söhne müssen für drei Jahre zum Militär, jammerte er, ein wahrhaft mutiger Mann, der in der orientalisch geprägten Altstadt mit ihren Souks und Karawansereien für einen Araber arbeitet. "Ich bin der einzige Jude in der alten Stadt", zeigte er sich stolz darauf, sich hierher zu wagen.

Land der Träume

Gleich neben der prächtigen Al-Jezzar-Moschee, benannt nach einem aus Bosnien stammenden osmanischen Regenten, der für die Amputation von Körperteilen berüchtigt war und daher "der Schlächter" hieß, führte Moshe auch eine Herberge und vor allem Gespräche mit deren Gästen, in der Sprache, die sie sich wünschen, denn Moshe, der Sprachen studiert hat, hatte zuvor in Nordamerika, Spanien und den Niederlanden gelebt und sprach fließend mehr als ein halbes Dutzend Sprachen, sogar ein wenig Deutsch.

Wie ein Bettler sah Moshe, dessen Unterlippe nach vorne stand, aus, und tatsächlich habe er sich, nachdem seine Eltern früh verstorben seien, schon im Alter von 16 Jahren alleine durchschlagen müssen, seien doch keine nahen Verwandten mehr am Leben gewesen, weil fast alle in Auschwitz zu Tode gekommen seien.

Trotz aller Unbilden, sagte Moshe, sei Israel das Land seiner Träume, es sei eine spannende Zeit, wenn auch zuweilen eine Sprachverwirrung herrsche und die Herausforderungen so groß seien, wie der Turm, der in Babylon gebaut werden hätte sollen. Als ich ihm eine gute Nacht wünschte, zeigte mir Moshe eine Flasche Hochprozentigen: "Damit schlafe ich gut." Es hatte für mich den Anschein, als nähme dieser Mann die Anfeindungen und Herabwürdigungen in Kauf, um seine Botschaft von einem friedlichen Zusammenleben zu verbreiten. Moshe hatte die Aura eines Heiligen.

Dancing Stars: Orthodoxe Juden beim ausgelassenen Tanz in Jerusalem.
© Heilingsetzer

Jerusalem, in das ich wenige Tage später kam, glich zu Sukkot, dem jüdischen Herbstfest, trotz der Absperrungen und an jeder Ecke der Stadt postierten Soldaten, vor allem bei Dunkelheit einem fröhlichen Musikantenstadl, der vielen Gesangsgruppen eine Bühne bot. Festlich gekleidete, aus vielen Ländern der Erde gekommene Leute fanden zusammen, um zu tanzen, alte Männer mit weißen Bärten und kunstvoll getrimmten Schläfenlocken hüpften herum wie eine Horde halbstarker Discoprinzen. Diese Lebensfreude wirkte selbst in der tristen Alltagsrealität dieser Stadt so ansteckend, dass ich für Augenblicke all die schlimmen Dinge vergaß.

Untertags herrschte bei den Gläubigen eine kaum zu glaubende Betriebsamkeit. Während die orthodoxen Juden mit langen Mänteln, zylindrischen Pelzkappen, Nikolausbärten und Schläfenlocken im forschen, an verhasste Tanzschulschritte erinnernden Gang mit Feststräußen aus Palmzweig, Myrtenzweig, Bachweide und Paradiesapfel, der gelbgrünen Zitrusfrucht Etrog, die unversehrt, rein und fleckenlos sein muss, durch das Damaskustor in die Altstadt und wieder nach Hause hasteten, trugen die tiefgläubigen Christen ein geschultertes Zeichen der Leiden Jesu, von der Größe eines Gipfelkreuzes, durch die Stadt, gingen den letzten Weg betend hinauf zur Grabeskirche, wo sie sich zu Boden warfen und schließlich in Tränen ausbrachen. Die moslemischen Araber verwendeten ihre ganze Energie, um den Tempelberg, der zu den jüdischen Festtagen immer Zankapfel ist, vor jüdischen Eindringlingen zu schützen.

Ächzende Christen aus aller Welt schleppen schwere Kreuze durch Jerusalem.
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Wohltuend schien, dass der Geschäftssinn mancher Marktleute so stark ausgeprägt war, dass sie mit den Symbolen aller drei Weltreligionen Jerusalems handelten. In der religiös aufgeladenen Atmosphäre, wie sie in Jerusalem herrscht, schien dieser Sinn für Konsumismus keinesfalls normal.

Ausdruck für die religiöse Überladung in dieser Stadt ist das sogenannte Jerusalem-Syndrom, von dem jährlich einige Dutzend Besucher betroffen sein sollen. Es handelt sich dabei um ein Zustandsbild mit psychotischem Charakter, der etwa in Wahnvorstellungen in Erscheinung tritt: Touristen identifizieren sich, je nach Geschlecht und Konfession, plötzlich mit Heiligen aus dem Alten und Neuen Testament, und nicht alle der Erkrankten haben eine psychiatrische Erfahrung in ihrer Vergangenheit. Männliche Juden etwa halten sich für männliche Heilige aus dem Alten Testament, weibliche Christen identifizieren sich mit weiblichen Gestalten aus dem Neuen Testament.

Am letzten Tag fuhr ich nach Bethlehem, das man erst nach Überwindung eines Kontrollpunktes erreicht. Die Geburtsstadt Jesu ist für ihre Bewohner fast zum Gefängnis geworden, seit eine acht Meter hohe, mit Stacheldraht und Überwachungskameras bestückte Betonmauer die Stadt im palästinensischen Autonomiegebiet, in der Christen und Moslems leben, von Jerusalem trennt.

Graffitis an der Mauer, dem Schandmal von Bethlehem.
© Heilingsetzer

Die politischen Graffitibotschaften entlang der Mauer erzählen von der Düsternis dieses Ghettos, noch bitterer klingen jedoch die Geschichten der betroffenen Menschen. Etwa jene von Maria, einer Christin, die Schnitzereien aus Olivenholz verkauft, sofern sich ein Tourist nach Bethlehem in ihr Geschäft verirrt. Sie warte sei Monaten auf eine Erlaubnis, nach Jerusalem reisen zu dürfen, weil sie eine Operation brauche, die man in Hebron im Westjordanland nicht durchzuführen in der Lage sei. Tränen füllten die Augen der Frau, während sie ihre Krippen, deren übliche Szenerie durch eine Mauer von den Weisen aus dem Morgenland getrennt ist, anpries.

Wie im Gefängnis

Zahlreiche Geschäfte hätten, verstärkt durch die Unbilden von Corona, die Rollbalken heruntergelassen, Souvenirläden und Hotels seien verwaist, ergänzte ihr Neffe Michael, der für seine Tante beharrlich nach potentiellen Kunden Ausschau hielt, traurig. Tawfiq, ein Arabischlehrer, der sich sein Geld lieber mit Taxifahren verdiente, weil er zum einen keinen Job finden konnte, zum anderen die palästinensische Regierung nicht in der Lage wäre, die Gehälter regelmäßig zu zahlen, klagte, dass er seit 2002, als man mit dem Bau der Mauer begonnen hatte, nicht mehr in Jerusalem gewesen sei.

"Wir leben hier wie in einem Gefängnis, während die jüdischen Siedler unser Land erobern", hadert Tawfiq. Er selbst sei Moslem, doch die Religion spiele in Bethlehem keine Rolle. "Wir sind Palästinenser!", rief er aus. Jüdische Freunde habe er keine. Das liege aber daran, dass man gar nicht in Kontakt miteinander komme.

Am Ende bereute ich es dennoch nicht, dass ich meine Kindheitsbilder vom See Genezareth, von Bethlehem, Jerusalem, Nazareth und all den anderen biblischen Orten gegen bunte, teilweise verstörende Bilder eines Landes ohne die Aussicht auf Frieden tauschte, dem nur noch Wunder helfen können.

Georg Christoph Heilingsetzer, geboren 1977 in Linz, arbeitet als Psychotherapeut, freier Autor und Fotograf in Wien und am Irrsee.