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Wo sich die Corona-Infektionen häuften

Von Simon Rosner

Politik

In Österreich gab es bisher keine Cluster-Häufungen in Schulen, Supermärkten und Öffis, dafür aber in Pflegeheimen.


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Es war eher nicht die beste Idee der Bundesregierung, die Wiedereröffnung von Einkaufszentren an einem Samstag zu begehen. Es kam zu Menschenansammlungen und auch Gedränge. Genau das sollte eigentlich vermieden werden. Bei einer Montagsöffnung hätte sich die aufgestaute Nachfrage vielleicht eher verteilt.

Es wird bis zu zwei Wochen dauern, bis verlässliche Daten zu diesem Einkaufssamstag vorliegen werden. Und gemeint ist nicht der Umsatz der Geschäfte, sondern das Infektionsgeschehen. Nach wie vor tastet man sich langsam in den Erkenntnissen vorwärts, wo sich die Menschen anstecken, welche Aktivitäten ein größeres Risiko bergen.

Die theoretische Möglichkeit eines Infektionsweges, wie sie in einem Labor nachgestellt wird, bedeutet noch nicht, dass dieser Infektionsweg in der epidemiologischen Realität eine große Rolle spielt. So geht etwa Daniela Schmid, die Leiterin der Abteilung Infektionsepidemiologie der Gesundheitsagentur Ages, davon aus, dass nur der Übertragungsweg über Tröpfchen von Bedeutung ist. Dass Ansteckungen gewissermaßen über die Luft passieren, über feinste Partikel, die das Virus in sich tragen, sogenannte Aerosole, hält sie für wenig wahrscheinlich. "Sonst wäre die Attackrate viel höher", sagt sie.

Es gibt aus der Wissenschaft auch vorsichtigere Stimmen zu dieser Ansteckungsmöglichkeit, doch aus der ersten großen Untersuchung der Ages zu Clustern, also Infektionshäufungen, ist die Gefahr einer "Luft-Übertragung" nicht herauszulesen. Es gab keine Cluster in einem Supermarkt, in einer Schule und in öffentlichen Verkehrsmitteln.

Die Ages schaute sich 169 Cluster mit 3822 individuellen Ansteckungen (von rund 15.600) an. Darunter gab es einige mit sehr vielen Fällen, andere blieben beschränkt, es entwickelte sich keine lange Kaskade von Infektionen. Aber diese gab es eben auch. Sie will und muss man beim zweiten Versuch der Containment-Strategie vermeiden.

Bei der Analyse der 169 Cluster zeigte sich, dass in der ersten Phase der Epidemie die mit Abstand meisten Fällen aus Freizeitaktivitäten entstanden, die dann in Haushalte getragen wurden. So konnten drei Cluster identifiziert werden, die für 1075 Ansteckungsfälle gesorgt haben. Es handelte sich hier vor allem um Skifahrer.

Besuchsverbote werden in Pflegeheimen gelockert

Durch den Lockdown hat sich das Freizeitverhalten plötzlich verändert, so sind im Laufe der Zeit andere Ansteckungscluster in den Vordergrund gerückt, nämlich Alten- und Pflegeheime. Dort gab es mehr, dafür kleinere Cluster, nämlich gleich 60. Dafür waren sie begrenzter mit 1127 Fällen. Das sind im Durchschnitt 18,8 Fälle pro Cluster.

Dass die Seniorenheime zum Hotspot wurden, ist keine Überraschung. Es ist auch in anderen Ländern eines der Hauptprobleme. Eines, das Österreich zweifellos besser bewältigte. Hier funktionierte das Krisenmanagement offenkundig. In Frankreich, Spanien oder Irland findet sich bei den Covid-Toten ein hoher Anteil von Menschen aus Pflegeheimen. In Österreich gibt es dazu keine Zahlen, Gesundheitsminister Rudi Anschober berichtete aber mit Verweis auf die Statistik Austria, dass keine erhöhte Sterblichkeit bei Personen festgestellt wurde, die ihren Hauptwohnsitz in Pflegeeinrichtungen haben. "Es ist ganz gut gelungen, die ältere Bevölkerung in den Heimen zu schützen", sagt Anschober.

Die Besuchsverbote in den Seniorenheimen haben aber auch Nebenwirkungen. Auch Vereinsamung stellt ein akutes Gesundheitsproblem dar. Alle Bundesländer erlaubten wieder Besuche, allerdings gibt es weiterhin Restriktionen. Das Ministerium erarbeitete, auch im Austausch mit den Ländern, Empfehlungen, um das Infektionsrisiko möglichst gering zu halten. So sollen Besuche angemeldet werden, unter freiem Himmel stattfinden und kleine Kinder nicht mitgenommen werden. Anschober wies aber auf den Charakter der Empfehlungen hin, im Individualfall muss davon abgewichen werden. "Es soll ein Kompromiss sein", sagt Anschober. Wichtig ist aber jedenfalls die Risikoreduktion.

Für diese muss aber auch die Wissenschaft noch Erkenntnisse liefern. Cluster-Analysen wie die von der Ages tragen dazu bei, etwas mehr über das Übertragungsrisiko zu erfahren. Solche Analysen gibt es auch aus Südkorea und China, in Deutschland ist eine in Arbeit. In Südkorea wurden die Infektionswege sehr detailliert eruiert. Eine Veranstaltung der Shincheonji-Sekte hatte mehr als 5000 Infektionen zur Folge. Daneben gab es auch kleinere Cluster, darunter auch andere Messen, eine Pilgerreise sowie vier Häufungen in Krankenhäusern mit rund 200 Infektionen. In Österreich, mit jedoch weniger Daten, gab es 13 Ausbrüche mit 149 Infizierten, vor allem Personal.

Arbeitsplatz ist kein Infektions-Hotspot

Hier wie dort spielt der Arbeitsplatz eine eher nur untergeordnete Rolle. In einem Callcenter in Seoul gab es zwar 134 Fälle, allerdings fand dort auch ein Screening aller Angestellten statt. In Österreich wurden 15 Cluster am Arbeitsplatz ausgemacht mit insgesamt 92 infizierten Personen.

Nun aber werden wieder mehr Freizeitaktivitäten möglich. Auch die Shopping Center sind wieder offen. In China fand man bei einer Analyse von 318 Ausbrüchen nur sieben in einem Einkaufszentrum. Das könnten gute Nachrichten auch für den vergangenen Samstag sein, dass das Risiko in großen Geschäften doch nicht so groß ist. In China wurde auch nur ein einziger Cluster draußen gefunden. Freilich, in China wütete das Virus im Winter. Und Medizinerin Daniela Schmid betont noch einmal die Bedeutung der Tröpfchenübertragung. Diese kann auch im Park passieren, wenn man nicht ausreichend Abstand hält und das Gegenüber anhustet.