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Wo unorthodoxe Ideen gefragt sind

Von Eva Mandl

Wirtschaft

In der Kreativbranche sind originelle Bewerbungen gern gesehen. Doch Kreativität beim Bewerbungsschreiben ist noch nicht das garantierte Ticket in den Werbe-Traumjob. Darin sind sich Personalberater und Werbeprofis einig: Nicht allein die spektakuläre Verpackung, sondern der Inhalt macht, auch in der Werbebranche, eine Top-Bewerbung aus.


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"Einmal haben wir ein selbst gebasteltes Überraschungsei bekommen. Unter der Schokoladeschicht war ein gelbes Plastikei mit den Referenzen des Bewerbers", beschreibt Wolfgang Hafner, Geschäftsführer der Agentur Wunderman, die witzigste Bewerbung, die er je bekommen hat. Die Story über einen jungen Kreativen, der seinen Unterlagen ein rohes Steak beigelegt hat, geistert als Legende durch die Kreativszene. Nach dem Motto "Ihre Agentur braucht Frischfleisch!"

Originelle Verpackungen sind oft Türöffner zur hippen Werbebranche. "Bewerbungen können nicht kreativ genug sein", bestätigt Direct Marketing Experte Hafner im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Bei 300 Interessenten für eine Position, sind unorthodoxe Ideen gefragt, um nicht in der Flut der Bewerbungen unterzugehen. Agenturchefs und Personalberater bekommen Bewerbungsschreiben en masse, nur selten ist eine wirklich witzige dabei. "Neun von zehn sehen gleich aus", sagt Helmut Stögerer, Geschäftsführer der Agentur Palla, Koblinger_Proximity. Wer Kreativität in seine Inszenierung steckt, fällt auf und vermittelt Engagement. Standardisierte Texte, Floskeln und falsche Anreden sind kontraproduktiv.

Zu originell?

Angehende Werber machen sich viele Gedanken. Sie verschicken schwere Metallplatten mit der Aufschrift: "Damit meine Bewerbung mehr Gewicht bekommt" oder abgeschnittene Jackenärmel mit der Message: "Ich will kreative Ideen aus dem Ärmel schütteln".

Doch nicht alles Außergewöhnliche kommt an. Den Geschmack der Agenturchefs zu treffen, ist schwer. Wolf Mandl, aufstrebender junger Texter, hat für seine erste Bewerbung ein Teelicht und eine Karte mit "Mir geht öfter mal ein Licht auf. Entfachen Sie mein Feuer für Ihre Agentur" verpackt. - "Schade, dass Ihnen nur manchmal ein Licht aufgeht", kam daraufhin als Antwort zurück.

Was beim einen ankommt, stößt beim anderen auf Ablehnung. Begeistert beschreibt Hafner einen jungen Mann, der von einem Freund in einem selbst gedrehten Spot im Stil von Home Shopping, als Produkt präsentiert wird.

Andreas Landgrebe vom Personalberatungsunternehmen Jenewein & Partner hingegen steht nicht auf Videofilme. Er hat in seinem Büro weder Videorekorder noch Zeit sich halbstündige Präsentationen anzusehen. "Genauso unpraktisch sind Bewerbungswebsites." Personalberatern fehlt die Zeit, 15 Seiten durchzuklicken bis sie die gesuchten Informationen finden. Außerdem können Webtexte weder in Datenbanken übernommen werden, noch sind sie zum Ausdrucken geeignet. "Bewerbungen sollten empfänger- und nicht sender-spezifisch gemacht sein", rät Landgrebe.

Kreativität ja - aber bitte keine komplizierte Effekthascherei. Aufwändige Pappaufsteller oder Bastelanleitungen liegen nicht im Trend. Eine witzige Bewerbung alleine reicht noch lange nicht für den Werbe-Traumjob. Nicht die spektakuläre Verpackung macht eine Top-Bewerbung aus, sondern der Inhalt.

"Ein Bewerber hat unsere Website exakt nachgebaut und seine Daten hineingeschrieben", erzählt Landgrebe. Irrer Aufwand, kein Erfolg. Der Kandidat muss viel Zeit haben, hat sich der Personalexperte gedacht. "Die Aufmachung kann maximal ein Zünglein an der Waage sein, ist aber kein Ersatz für Qualifikation." Ausschlaggebend sind die Fähigkeiten und die bisher gezeigten Leistungen. Landgrebe empfiehlt jungen Kreativen, wirklich alle wichtigen Informationen im Bewerbungsschreiben einzubinden. Bewerbungen sollten Agenturchefs emotional packen.

Dem Einfallsreichtum der Verpackungskünstler und kreativen "Zugaben-Komponisten" sind - wenn der Inhalt passt - kaum Grenzen gesetzt: So erregte ein 3D-Mailing in Form einer Kabelrolle, in die ein Bewerbungsschreiben verpackt war bei Werbeprofi und Lektor Stögerer Aufsehen. Er wusste sofort - auch ohne Foto - wer der Absender war: einer seiner Ex-Studenten, der ihm während einer Vorlesung mit einem Verlängerungskabel ausgeholfen hatte. n