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Wo Wettbewerb endet

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

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Griechenland muss wettbewerbsfähiger werden, die Auflagen der "Troika" sind daher umzusetzen, und diese lauten: Gürtel enger schnallen, liebe Griechen. So oder ähnlich tönte es aus der Europäischen Volkspartei, dem Zusammenschluss christdemokratischer Parteien im EU-Parlament.

Bei der Landwirtschaft allerdings endet diese ideologische Marktdurchdringung abrupt, gut zu sehen am aktuellen Beispiel Milch. Der Milchpreis rauscht in den Keller, seit das Quotensystem aufgegeben wurde, die Bauern bekommen für einen Liter Milch bestenfalls 30 Cent - so viel wie Mineralwasser in den Supermärkten kostet.

Nun ist das EU-Parlament für eine Erhöhung des sogenannten Interventionspreises, da die Lagerhaltung vorsorglich verlängert wurde. Die Molkereien in Österreich schlagen Alarm, ihnen tun jetzt plötzlich die Bauern leid.

Das ist eine doch recht interessante Sicht, wer dem Wettbewerb ausgesetzt sein sollte und wer nicht. Denn abgesehen vom Faktum einer Klientelpolitik ist doch ein jugendlicher Arbeitsloser in Griechenland genauso schützenswert wie ein Landwirt, der Milch produziert.

Nicht so für die Christdemokraten im EU-Parlament (und auch für einen guten Teil der Sozialdemokraten, die ebenfalls für höhere Milch-Subventionen gestimmt haben).

Die Milch ist daher ein gutes Beispiel dafür, wie seltsam der Wettbewerbsgedanke in Europa verankert wurde. Die EU-Kommission setzt eindeutig auf mehr Wettbewerb, weil sie sich dem europäischen Binnenmarkt verschrieben hat. Dessen Umsetzung hängt eindeutig am Abbau von den Wettbewerb hemmenden Vorschriften. Die Liberalisierung des Milchmarktes ging in diese Richtung, so weit ist alles klar.

Nun zeigt sich aber, dass Wettbewerb weniger das Kapital als vielmehr den Faktor Arbeit unter Druck setzt. Auch das ist keine unbedingte Neuigkeit, sollte es aber sein. Denn Wettbewerbsregeln sollten nicht vor dem Wettbewerb, sondern den Wettbewerb selbst schützen.

Dazu gehören etwa deutliche Regeln, die Marktbeherrschung und/oder -missbrauch unterbinden, um die Kleinen vor den Großen zu schützen. Genau das Gegenteil passiert. Höhere Subventionen in der Milchwirtschaft widersprechen den aktuellen Zielsetzungen der EU-Politik. Sollten sie dennoch kommen, hat die EU ein grundlegendes Problem mehr.