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Wo Zwang zur liberalen Notwendigkeit wird

Von Christian Ortner

Gastkommentare
Christian Ortner.

Rauchern mehr Freiheit zu geben, ist auch aus liberaler Sicht nicht wirklich vernünftige Politik, sondern törichter Dogmatismus.


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Österreich, das wird jeder nicht besachwaltete Bürger dieses Landes so sehen, ist in dramatischem Ausmaß über-reguliert und in genauso dramatischem Ausmaß unter-liberalisiert. Wie kaum woanders steckt der Staat hier seine Pfoten in Dinge, die ihn nichts angehen, und beschneidet die Freiheit seiner Bewohner durch Myriaden schikanöser Zwänge, vom Laden-Zusperr-Gesetz über den Kammerzwang bis hin zur ORF-Zwangsabgabe.

Deshalb wäre es allerhöchste Zeit, den Bürgern wieder mehr an Selbständigkeit, Freiheit von Zwängen aller Art sowie Autonomie im Wählen persönlicher Lebensstile zurückzugeben. Gerade von einer politisch nicht im linken Teil des politischen Spektrums verorteten Regierung, wie sie in Wien gerade entsteht, würde man erwarten, dass die Freiheitsräume der Bürger erweitert und nicht etwa weiter beschnitten werden.

Mit genau diesem Argument versuchen die Verhandler von ÖVP und FPÖ nun ja - auf Drängen H.C. Straches vor allem - zu rechtfertigen, dass entgegen der bisherigen Planung auch nach 2018 in Restaurants, Bars oder Clubs weiter geraucht werden darf. Ob in Lokalen gepafft werden darf oder nicht, so das Argument, ginge allein die Wirte und deren Gäste etwas an, die frei entscheiden können sollen, wo geraucht wird und wo nicht. Eine staatliche Einmischung in diese Vertragsfreiheit autonomer Individuen gebe es nicht, sieht man von Jugendschutz und Ähnlichem einmal ab.

Es ist dies ein klassischer liberaler Standpunkt und daher ganz grundsätzlich einmal richtig. Dem steht freilich gegenüber, dass sich das generelle Rauchverbot in öffentlichen Räumen als überaus effiziente Waffe im Kampf gegen eine der tödlichsten Seuchen der Welt entpuppt hat, der allein in Österreich jedes Jahr 15.000 Menschen zu Opfer fallen, dem Rauchen. Deshalb hat sich ja mittlerweile die Mehrheit daran gewöhnt, dass man dort nicht mehr raucht, wo gemeinsam gegessen und getrunken wird. Weil es eben auf der einen Seite grundvernünftig ist - und auf der anderen Seite die Freiheit des Einzelnen zwar beschränkt, aber nur in sehr geringfügigem Ausmaß. Wir betrachten es ja auch nicht als unzulässige Bevormundung, zum Beispiel unsere Notdurft nicht direkt im Speisesaal verrichten zu dürfen.

Selbst der härtestgesottene Liberale versteht, dass ein gedeihliches Zusammenleben ohne ein Minimum an Regulierung nicht gut möglich ist. Wie so oft im Leben erscheint es daher vernünftig, in diesem Interessenkonflikt zwischen zwei für sich jeweils argumentierbaren Positionen eine Güterabwägung vorzunehmen. Also: auf der einen Seite eine geringfügige Freiheitsbeschränkung, auf der anderen Seite langfristig erhebliche Verringerung der Todesfälle durch Krebs oder Kreislauferkrankungen.

Auch liberal Denkende werden da wohl zu keinem anderen Schluss kommen können als den, die Freiheit der Raucher weiter zu begrenzen. Alles andere hieße, die Vernunft dem Dogma zu opfern. Und das ist sogar in der liberalen Erscheinungsform nicht sehr sympathisch. Sollte die neue Bundesregierung, was wir gerne glauben wollen, es also ernst meinen mit dem Zurückgewinnen von Freiheitsräumen für die Bürger dieses überregulierten und unterliberalisierten Landes, dann hätten sich wohl lohnendere Ziele finden lassen als die Freiheit, bei Tisch zu rauchen.