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Zinsen für Madrid steigen wieder - Sorge vor negativer Eigendynamik.
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Madrid/Wien. Monatelang haben Europas Spitzenpolitiker um Maßnahmen zur Bekämpfung der Staatsschuldenkrise gerungen. Nun sind "Fiskalpakt" und "Feuermauer" (gemeint ist ein größerer Euro-Rettungsschirm) endlich unter Dach und Fach. Doch die Phase der Entspannung dauerte gerade einmal wenige Wochen.
In Bezug auf Spanien - eines der volkswirtschaftlich größten Sorgenkinder der Währungsunion - zeigen sich alarmierende Entwicklungen, die sich auf andere Länder ausweiten könnten. Ob die negative Eigendynamik, die bereits eingesetzt hat, rasch durchbrochen werden kann, dürfte auch vom weiteren Verlauf dieser Woche abhängig sein.
Am Donnerstag will die Regierung in Madrid nämlich Staatsanleihen mit Laufzeiten von zwei beziehungsweise zehn Jahren an Investoren verkaufen. Muss das Land den Anlegern dabei deutlich höhere Zinsen bieten als zuletzt, könnte die Sorge zunehmen, dass Spanien nicht dazu in der Lage ist, seinen Staatshaushalt nachhaltig aus eigener Kraft zu finanzieren.
Am Montag sind die Renditen - quasi die Zinsen - zehnjähriger spanischer Staatspapiere erstmals seit November 2011 wieder über die Marke von sechs Prozent gestiegen. Als kritisch sehen Experten ein Niveau von sieben Prozent und darüber. Verschärft sich der Trend der vergangenen Tage, kann das schnell erreicht sein. Laut Nachrichtenagentur Reuters sind die Kosten für Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swaps, CDS) auf spanische Staatsanleihen bereits auf neue Rekordwerte gestiegen.
Zurück in der Rezession
Die Gründe zur Sorge liegen auf der Hand. Kaum hatte Spanien offiziell dem europäischen Fiskalpakt zugestimmt, der unter anderem strengere Defizitgrenzen vorsieht, musste die Regierung eingestehen, die Haushaltsvorgaben nicht einhalten zu können. Das Land ist in den vergangenen Monaten zurück in die Rezession gerutscht: Wirtschaftsminister Luis de Guindos hat in einem Interview mit der Zeitung "El Mundo" erklärt, das Bruttoinlandsprodukt im ersten Quartal 2012 dürfte wahrscheinlich ähnlich zurückgegangen sein wie im letzten Vierteljahr 2011, als ein Minus von 0,3 Prozent im Quartalsvergleich verzeichnet wurde. Schrumpft die Wirtschaft zwei Quartale in Folge, spricht man von einer Rezession.
Dass die Probleme über Spanien hinausreichen, zeigt sich daran, dass auch die Renditen für italienische Staatsanleihen zuletzt wieder gestiegen sind. Spanien ist die viertgrößte Volkswirtschaft der Eurozone. Eine Rettung à la Griechenland, Irland oder Portugal dürfte wohl auch den zuletzt aufgestockten Euro-Hilfsfonds überfordern. Italien, das in den vergangenen Monaten selbst nur mit Müh und Not die Märkte von der eigenständigen Finanzierbarkeit seines riesigen Schuldenberges überzeugen konnte, würde wohl erneut ins Zentrum der Krise gezogen.
Während Analysten Europa bereits "zurück im Krisenmodus" sehen, erklärte EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso am Montag in Brüssel, er habe "volles Vertrauen" in die Regierung in Madrid. Er sei absolut zuversichtlich, dass Spanien "alle Schwierigkeiten meistern" werde, meinte Barroso laut Austria Presseagentur. "Wir arbeiten mit den spanischen Behörden sehr eng zusammen."
Vorerst keine Hilfe von EZB
Keine Unterstützung erhielten Spanien und Italien zuletzt von der Europäischen Zentralbank. Diese hat in der vergangenen Woche keine weiteren Staatsanleihen von Eurostaaten gekauft. Ein entsprechendes Programm war vor knapp zwei Jahren eingerichtet worden, um die Nachfrage anzukurbeln. Bisher hat die EZB Papiere im Ausmaß von 214 Milliarden Euro abgewickelt. Angesichts der sich verschärfenden Situation in Spanien wird darüber spekuliert, ob die Zentralbank das seit einiger Zeit ruhende Programm wieder aufnimmt.
Indirekt könnte Spanien bei der dieswöchigen Emission von Staatsanleihen allerdings sehr wohl von Maßnahmen der EZB profitieren. Diese hat Ende 2011 und Anfang 2012 europäischen Banken insgesamt etwas mehr als eine Billion Euro an billigen Dreijahreskrediten zur Verfügung gestellt. Offenbar kaufen spanische Banken mit diesem Geld Staatsanleihen - und zwar nicht zuletzt die ihres eigenen Landes. Ende 2011 entfielen noch 50 Prozent der spanischen Staatsschulden auf ausländische Gläubiger, Ende Februar nur noch 42 Prozent.
Probleme bei den Banken
Dabei sind es gerade die maroden Banken des Landes, die Spaniens Probleme noch verschärfen. Viele haben sich auch Jahre nach dem Platzen einer Immobilienblase im Zuge der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise nicht erholt. Probleme könnten sich auch bei Banken in anderen Ländern ergeben. Der Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank, Ewald Nowotny, sprach in einem Interview mit den "Vorarlberger Nachrichten" von der "Ruhe vor dem Sturm". Die Ratingagentur Moody’s habe angekündigt, per Ende April die Bonität von 110 europäische Banken neu zu bewerten. "Es ist nicht auszuschließen, dass das in Europa wieder zu einer gewissen Verunsicherung führen könnte", so Nowotny.
Die Staatsschuldenkrise sei noch nicht ausgestanden meint der Nationalbank-Chef. Als größtes Risiko bezeichnet Nowotny allerdings nicht Spanien, sondern Griechenland, wo Anfang Mai Wahlen stattfinden. Diese würden darüber entscheiden, ob der eingeschlagene Sanierungskurs fortgesetzt werde. In Bezug auf Irland und Portugal sieht Nowotny bereits Verbesserungen. Italien und Spanien hätten ihrerseits bereits Reformen durchgeführt und bräuchten nun Zeit.
Ob sie diese erhalten, wird sich wohl in naher Zukunft weisen. Zunächst überwiegen jedenfalls die Alarmsignale. Der Kurs des Euro ist am Montag zwischenzeitlich erstmals seit Mitte Februar unter die Marke von 1,30 US-Dollar gerutscht. Auch gegenüber dem Britischen Pfund verlor die Einheitswährung an Wert. Ein Euro kostete nur noch 0,821 Pfund - so wenig wie seit September 2010 nicht mehr.
Deutschland profitiert
Während die Börsen bereits vor dem Wochenende nach unten tendierten, sorgten am Montag im Laufe des Tages positive Einzelhandelsdaten aus den USA für eine gewisse Erholung. Diese werden als Zeichen dafür gesehen, dass die wirtschaftliche Entwicklung besser verläuft als erwartet.
Unmittelbarer Profiteur der Probleme Spaniens war am Montag einmal mehr Deutschland. Die Renditen deutscher Bundesanleihen, die bei Investoren als sicherer Hafen gelten, sanken weiter. Bei Papieren mit zehnjähriger Laufzeit waren diese mit 1,628 Prozent zeitweise so niedrig wie noch nie.