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Wochenende mit Dichterinnen

Von David Axmann

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Wer sich vom Leben mehr erwartet, als das österreichische Fernsehen ihm bietet; wer sich in seiner Freizeit (zumal am Wochenende, wo man mehr von ihr hat) nicht "zu Tode amüsieren" will (wie's der kürzlich verstorbene Neil Postman so anschaulich formuliert hat); wer also nicht weiß, ob er ORF 1 oder ORF 2 für das kleinere Übel halten soll, kann glücklicherweise das Radiokontrastprogramm Ö1 einschalten. Und wenn er, wie am vergangenen Wochenende, gar besonderes Glück hat, kann er dort Dichterinnen begegnen.

In den "Hörbildern" am Samstagvormittag konnte man Ilse Aichinger näher kennen lernen, obwohl nur ihre Zwillingsschwester Helga zu hören war, die 1939 mit einem Jugendtransport nach England fliehen konnte (während Ilse bei der Mutter, einer jüdischen Ärztin, in Wien blieb). Helga und Ilse sind in einer ursprungstiefen Koexistenz miteinander verbunden, koinzident sind ihre Gefühle und Gedanken von den Kindheitserinnerungen bis zur Todeserwartung.

Am Sonntag kam, anlässlich ihres 30. Todestages, Ingeborg Bachmann zu Wort. In der morgendlichen "Du holde Kunst"-Sendung las Elisabeth Orth einige Bachmann-Gedichte, und in den abendlichen "Tonspuren" war die Dichterin selbst zu hören, deren zart weinerlich singende und oft gehetzte Stimme im Widerklang stand zu ihren dunkelsinnigen und schwer tönenden Versen. (Zur selben Zeit lief auf ORF 1 der Actionthriller "Proof of Life", auf ORF 2 die Komödie "Ein Banker zum Verlieben" - Neil Postman always rings twice . . .)