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Ökonomen fordern langfristige Lösungen und keine Provisorien. | Kursierende Zahlen sind eher Untergrenze, Bedarf um Vielfaches höher. | Wien. Niemand weiß derzeit, wie ein noch zu gründender Pflegefonds tatsächlich dotiert sein wird, geschweige denn, woher das Geld kommen wird. Bund, Länder und Gemeinden versuchen momentan in Verhandlungen, den prognostizierten Mehrkostenaufwand für den Pflegebereich der nächsten Jahre aufzuteilen. Das Sozialministerium geht von 2011 bis 2013 von einem Zusatzaufwand von 360 Millionen Euro aus. Die Länder sprechen von 500 Millionen. Im Jahr 2020 sollen es bereits 600 Millionen sein. Und selbst diese Zahlen werden hinterfragt. Dazu IHS-Gesundheitsökonom Thomas Czypionka zur "Wiener Zeitung": "Die Zahlen, die momentan im Raum kursieren, sind eher die Untergrenze."
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Der Experte rät daher zu einem Kassasturz, wie er zuletzt auch im Spitalsbereich eingefordert wurde. Czypionka: "Es sollte reiner Tisch gemacht werden, um sich dann auf eine langfristige tragbare Lösung zu einigen." Er spricht sich dagegen aus, Provisorien zu installieren und diese dann weiterzuschreiben.
Gesundheitsexperte Ernest Pichlbauer wiederum findet die Debatte "vollkommen unnötig". Er spricht sich gegen eine Fragmentierung aus. Pichlbauer: "Man sollte die Pflege im Rahmen einer Gesundheitsreform diskutieren, die den Namen auch verdient. Alles andere ist Stückwerk." Er fordert etwa eine verstärkte Abstimmung der Pflege mit den Krankenhäusern. Und was meint der Experte zu den Kosten? Erst müsse ein ordentliches Versorgungskonzept auf die Beine gestellt werden, dann müsse man sich überlegen, was die Kosten sind, sagt er. Und: "Einfach zu sagen, wir haben Defizite und deshalb brauchen wir Geld, funktioniert nicht. Globaldefizite haben noch nie wirklich Reformen eingeleitet."
Pflegekosten setzen den Kommunen zu
Fakt ist: Der rasante Anstieg der Pflegekosten überfordert Städte und Gemeinden zusehends. So finanzieren sie etwa den laufenden Betrieb von Pflegeheimen. Dass die Kommunen entlastet werden müssen, steht außer Streit, offen ist, wer wie viel zum notwendig gewordenen Zuschuss beitragen muss.
Einer der Faktoren, warum die Pflegekosten für die öffentliche Hand explodieren: der Wegfall des Regresses. Angehörige werden nicht mehr zur Finanzierung herangezogen. Seither ist zu beobachten, dass mehr Personen stationär und damit kostenintensiver in Heimen versorgt werden, heißt es in einer IHS-Studie. Die Steiermark will indes sowohl die Angehörigen der Pflegebedürftigen als auch der Mindestsicherungsbezieher mittels Regresszahlungen wieder zur Kasse bitten.
Grob gesprochen werden für den Pflegebereich vom Bund derzeit knapp zwei Milliarden Euro über das Bundespflegegeld (gespeist von Bund, Ländern und Gemeinden) aufgebracht. Das Geld kommt nicht nur den rund 367.000 Pflegegeldbeziehern zugute, ein Teil fließt auch in den stationären und mobilen Pflegebereich. Das reicht aber für die Gesamtkosten nicht aus, deshalb schießen auch die Länder jährlich rund 1,5 Milliarden Euro dazu. Doch auch das reicht nicht mehr. Deshalb muss für die Jahre bis 2013 eine Lösung gefunden werden, quasi eine Überbrückung. Ab 2014 gilt dann der neue Finanzausgleich. Die Steueraufteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden wird dann neugeregelt.
Pflegefonds oderPflegeversicherung?
Die Ländervorgabe für die Abdeckung der steigenden Pflegekosten für die Jahre 2011, 2012 und 2013 belaufen sich laut dem derzeitigen Vorsitzenden der Landeshauptleutekonferenz, Josef Pühringer, auf erwähnte 500 Millionen Euro. Zwei Drittel davon solle der Bund zahlen, mahnte Pühringer ein. Dies entspreche der Verteilung der Steuereinnahmen im Finanzausgleich. Ein Sechstel sollten die Länder tragen, ein Sechstel die Gemeinden.
Doch diese Rechnung geht vorerst nicht auf. Für Finanzminister Josef Pröll und Sozialminister Rudolf Hundstorfer ist ein Zwei-Drittel-Anteil des Bundes zu hoch. Dennoch wird von allen Beteiligten eine Lösung bis vor Ostern angestrebt.
Offen ist, was nach der "Zwischenlösung" kommen soll. Ob steuerfinanzierter Pflegefonds oder Pflegeversicherung - auch das soll mit dem neuen Finanzausgleich, der Anfang 2014 in Kraft tritt, feststehen.