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Wohin das Geld fließt

Von Simon Rosner

Politik

Der neue Finanzausgleich könnte zur nächsten zähen Causa werden, der Druck auf eine umfassende Reform steigt.


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Wien. Ist ein gesunder Schüler, der bei der Schulärztin auf eine Waage steigt, ein Patient? Gewiss, in Österreich gibt es derzeit wichtigere Fragen zu klären als diese, zum Beispiel jene nach der Steuerreform. Doch selbst in dieser banal anmutenden Frage nach einer bloßen Begrifflichkeit kann sehr viel Österreich stecken.

Im Februar nämlich erhielten die Landesschulräte in dieser Sache einen Brief vom Unterrichtsministerium. Laut Maß- und Eichgesetz, Paragraf 11, Ziffer 2, litera a, sei auch bei schulärztlichen Untersuchungen eine geeichte Waage zu verwenden. Also, ja, gesunde Schüler sind Patienten, zumindest solange sie auf einer Waage stehen.

Solche geeichten Waagen gibt’s nicht im Haushaltsgeschäft, und sie kosten auch um einiges mehr, in etwa 500 Euro. Das ist zwar für die Schulerhalter, die Gemeinden, leistbar, aber dennoch: Muss das wirklich sein? Hängt die Volksgesundheit tatsächlich am Eichwesen von Waagen?

Das Schulwaagen-Beispiel ist eines, das Helmut Mödlhammer, Präsident des Gemeindebundes, fast schon genüsslich erwähnt. Seit Jahren seien drei Ministerien mit der Frage nach den Schulwaagen beschäftigt, wirklich zuständig wolle aber niemand sein und zahlen müssten es ohnehin die Gemeinden, insgesamt rund 2,5 Millionen Euro, so Mödlhammer.

Es sind Geschichten wie jene, die man kennen muss, um den Furor wider die Bürokratie des Gemeindebundchefs verstehen zu können, 28 Jahre lang war Mödlhammer auch Bürgermeister der Gemeinde Hallwang in Salzburg, im März trat er bei den Gemeinderatswahlen nicht mehr an. Im Vorjahr verhandelte der ÖVP-Politiker bei den Koalitionsgesprächen das Thema Staatsreform, "aber über Sparvorschläge von den Gemeinden wird nicht einmal diskutiert", beschwert er sich.

Stattdessen würden immer neue Verordnungen und Aufgaben auf die Gemeinden zukommen, wobei die Schulwaagen bei weitem nicht das größte Problem darstellen. Es ist vor allem das neue Haushaltsrecht, das künftig auch von kleinen Gemeinden eine komplexe Bilanzlegung (doppelte Buchhaltung) verlangt. Mödlhammer sieht eine "unendliche Lawine an Verwaltung" auf Österreich niedergehen, selbst die EU habe den Mehraufwand durch das doppische System auf Gemeindeebene mit 250 bis 300 Millionen Euro taxiert. Zudem, so Mödlhammer, fehle in einigen Gemeinden schlicht die Qualifikation dafür. "Wenn man da über uns drüberfährt, werden wir alle Möglichkeiten ausschöpfen", sagt der Gemeindebundchef.

Deadline für Finanzausgleich neu ist 2016

Derzeit laufen Verhandlungen über die Installierung der Doppik, im Regierungsprogramm ist eine diesbezügliche Verordnung mit Mitte 2014 terminisiert. Da die Mitte des Jahres allerdings weit näher als eine Einigung ist, dürfte sich der Erlass aus dem Finanzministerium noch verzögern. Mödlhammer ist jedenfalls entschlossen, die Verpflichtung für die Gemeinden zu verhindern.

Diese Frage ist auch nicht gänzlich unabhängig von jener Thematik zu klären, die danach ansteht und ohnehin schon jetzt verspricht, ein recht zähes Match zu werden: die Neuverhandlung des Finanzausgleichs. Bis 2016 muss dies passieren, dann läuft der alte Vertrag zwischen Bund, Ländern und Gemeinden aus, in dem die Aufteilung der Steuereinnahmen festgeschrieben ist.

Weil die Angelegenheit komplex ist, kann es auch darauf hinauslaufen, dass der bereits zweimal verlängerte Vertrag nur leicht modifiziert in eine weitere Neuauflage geht. Aber noch stehen alle am Anfang der Debatte, und da lassen sich noch große Ideen wälzen.

In der Vorwoche hat der Städtebund seine Pläne vorgestellt, wonach die Gelder künftig viel stärker nach Aufgaben und nicht nach Köpfen verteilt werden sollen. "Aufgabe folgt Geld", nannte es Städtebundchef und Wiens Bürgermeister Michael Häupl. Dagegen hätte auch der Gemeindebund nichts einzuwenden, und so könnten etwa auch Zusatzkosten, die durch neue Buchführung entstünden, abgegolten werden.

Spießen würde es sich anderswo. Der Gemeindebund verlangt nämlich eine Grundfinanzierung pro Kopf, bei der es keinen abgestuften Bevölkerungsschlüssel mehr gibt, die größeren Gemeinden und Städten bisher mehr Geld brachte. Für den Städtebund wäre das aber ein "No-Go", wie Generalsekretär Thomas Weninger zur "Wiener Zeitung" sagt. "Es ist ohnehin schon sehr abgeflacht worden", betont Weninger und verweist auf die vergangenen Finanzausgleiche. Dennoch scheint dieser prinzipielle Dissens, der nicht neu ist, überbrückbar, zu viel eint Städte und Gemeinden. Die heiklen Punkte sind andere. Einer ist die Frage nach den Kompetenzen,
also wer wofür zuständig ist. Mödlhammer beklagt das Wirrwarr und die vielen Überschneidungen, eben auch im Bereich der Schule und Kinderbetreuung. Dass sich Österreich puncto Kompetenzverteilung nicht gerade das billigste System leistet, ist an
unzähligen Empfehlungen des Rechnungshofs abzulesen. Tendenziell wird es allerdings eher nicht simpler.

"Unwahrscheinlich hohe Strafzahlungen" drohen

Mödlhammer will dennoch
daran glauben, dass die Verhandlungen um den Finanzausgleich eine Entwirrung samt Spareffekt bringen könnte. Er bezieht seinen Optimismus aus dem Drohszenario von Pönalen durch die EU. "Wir haben jetzt den Druck, dass wir 2016 ein Nulldefizit zusammenbringen müssen. Wir müssen es einfach schaffen, weil wir sonst unwahrscheinlich hohe Strafzahlungen aufgebürdet bekommen."

Eine zweite heikle Frage betrifft die Grundsteuer, deren Nutznießer die Gemeinden sind. Mödlhammer hätte gerne mehr Autonomie sowie mehr Spielräume. Künftig sollen die Gemeinden, nicht das Finanzamt die Grundstücke bewerten, wobei der völlig veraltete Einheitswert in Richtung des Verkehrswertes gebracht werden soll. Außerdem sollen die Gemeinden die Steuersätze in einem bestimmten Rahmen selbst wählen könnten.

Die Grundsteuer-Wünsche des Gemeindebunds werden bei der Regierung keine Jubelstürme auslösen, eine Erhöhung ist vor allem für die ÖVP nicht diskutabel, ein Steuerwettbewerb bei der SPÖ ein ganz generelles Unwort.

Und dann ist da noch die Frage, welche Aufgaben verpflichtend und welche freiwillig sind. Ist etwa ein Theater in einer Landeshauptstadt eine Pflichtaufgabe? Und wenn ja, wäre dann auch ein Theater in Heidenreichstein eine Pflichtaufgabe und entsprechend zu fördern? Ein Pflegeheim ist wohl unzweifelhaft eine Pflichtaufgabe, aber ist es das auch, wenn es im Umkreis von 20 Kilometern bereits vier solche Einrichtungen gibt? In diesen Fragen steckt sehr viel Diskussionsstoff, vielleicht zu viel, um bis 2016 eine Grundsatzreform des Finanzausgleichs zu stemmen. Nur eine Frage wäre schon geklärt: geeichte Schulwaagen sind verpflichtende Aufgaben.