In den USA steht erstmals seit hundert Jahren wieder ein Seeräuber vor Gericht. | Die meisten Piraten landen in Kenia. | Washington/Wien. Zum ersten Mal seit hundert Jahren wird in den USA wieder einem Piraten der Prozess gemacht. Verantworten muss sich der somalische Seeräuber wegen des Überfalls auf den Frachter "Maersk Albama", der in einem mehrtägigen Geiseldrama endete. US-Spezialeinheiten konnten den in einem Rettungsboot festgehaltenen Kapitän Richard Phillips schließlich befreien, drei der vier beteiligten Seeräuber wurden erschossen.
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Der überlebende Pirat, der von US-Ermittlern jetzt in die USA gebracht wurde, entspricht dabei aber nicht unbedingt der gängigen Vorstellung von einem somalischen Seeräuber: Vor einem New Yorker Gericht wird sich nämlich nicht ein Bürgerkriegs-Veteran in seinen Dreißigern verantworten müssen, sondern ein etwa 16 Jahre alter Jugendlicher, dessen Mutter US-Präsident Barack Obama am Dienstag um die Freilassung gebeten hat. Ihr Sohn sei von den Seeräubern gezwungen worden, sich ihnen anzuschließen, erklärte die Frau. Seine Jugend könnte den Piraten aber immerhin vor einer lebenslangen Haftstrafe bewahren, da das US-Strafrecht bei Entführungen geringe Haftstrafen für minderjährige Täter vorsieht.
Dass der jugendliche Seeräuber nicht in Kenia vor Gericht gestellt wird, sondern in New York, ist dem Ort des Überfalls geschuldet. Denn anders als bei jenen Fällen, in denen die US-Marine die Piraten in Ermangelung eines funktionierenden somalischen Justizsystem an Kenia übergab, fand der Überfall auf die "Maersk Albama" außerhalb der Zwölf-Meilen-Zone und somit in Internationalen Gewässern statt. Damit gilt das Recht des Landes, unter dessen Flagge das Schiff fährt.
Die Strafverfolgung im eigenen Land ist für viele Länder, die vor Somalias Küsten auf Piratenjagd gehen, freilich keine Option. So findet am heutigen Mittwoch in Mombasa ein Prozess gegen neun mutmaßliche Seeräuber statt, die von der deutschen Marine gemäß einem Anfang März geschlossen EU-Abkommen an Kenia übergeben wurden. In dem Fall hatte das Amtsgericht in Hamburg bereits einen Haftbefehl erlassen. Nachdem allerdings vielfach die Befürchtung laut wurde, tatsächliche oder auch nur angebliche Piraten könnten in Deutschland Asyl beantragen, wurde der Haftbefehl wieder zurückgezogen.
Prozess in Frankreich
Aber auch anderen Ländern macht die im Fall der Piraterie noch vielfach unklare Rechtslage zu schaffen. So musste die kanadische Marine sieben bei einem Überfall auf ein norwegisches Schiff festgenommene Piraten wieder freilassen. Das kanadische Recht erlaubt eine Strafverfolgung nur dann, wenn eine Straftat auf kanadischem Boden verübt wurde oder Kanadier betroffen sind.
Bisher hat lediglich Frankreich die Piraten im eigenen Land vor Gericht gestellt. Die Entführer der Luxusyacht "Ponant" waren nach der Lösegeldübergabe von französischen Spezialtruppen in Somalia gefangen genommen worden. Dem von der Verteidigung in diesem Zusammenhang geltend gemachten Einwurf, die fünftägige Inhaftierung auf einem französischen Kriegsschiff sei illegal gewesen, folgten die Richter allerdings nicht. Ihnen zufolge habe es sich "um eine strikt militärische Operation gehandelt, die sich folglich der Kontrolle durch die Justizbehörden entziehe".