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Wohin steuert der Bundesstaat?

Von Helfried Bauer und Karoline Mitterer

Gastkommentare

Österreich braucht eine Föderalismusreform. In erster Linie aber eine Diskussion darüber, was es dafür eigentlich braucht.


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Wien. Die Zusammenarbeit im österreichischen Bundesstaat ist komplex. Bund, Länder und Gemeinden erbringen die Leistungen in mehr oder weniger guter Abstimmung. Das politische Geschehen ist häufig geprägt durch Blockaden - insbesondere bei gemeinschaftlich erbrachten Aufgaben von Bund, Ländern und Gemeinden. Weniger das große Ganze steht im Mittelpunkt denn die Suche nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner. Das bald 100 Jahre alte Föderalismusmodell ist in die Jahre gekommen, eine Neuausrichtung - einschließlich der Finanzierung der subnationalen Gebietskörperschaften - ist notwendig.

Wohin soll sich der Föderalismus entwickeln? Diese zentrale Fragestellung wird derzeit zu wenig diskutiert. Vielmehr zeigen sich unterschiedliche und sich teils widersprechende Maßnahmen, welche eine klare Zielausrichtung missen lassen. Die österreichische Ausprägung des Föderalismus bezeichnet man wegen der zahlreichen Verflechtungen als "kooperativen Föderalismus". Dies bedeutet, dass Bund, Länder und Gemeinden ihre Leistungen in enger Abstimmung erbringen sollten. Dies trifft insbesondere auf die zahlreichen Gemeinschaftsaufgaben zu, wie Sozialagenden oder die Bildung.

Die Vergangenheit hat gezeigt, dass gemeinschaftliches und gleichberechtigtes Agieren aufgrund unterschiedlicher Interessenlagen der Akteure öfters zu langwierig und zu teuer abläuft und dass Reformen blockiert werden. Derzeit oft genannte Lösungen sind das Entflechten der Verantwortlichkeiten sowie das Einrichten eines Wettbewerbsföderalismus. Das bedeutet, dass die einzelnen Bundesländer und Gemeinden für ihre Aufgaben und deren Finanzierung selbst verantwortlich und durch Konkurrenz untereinander effizienter im Umgang mit Steuermitteln sein sollen. Zahlreiche Arbeitsgruppen zur Stärkung der Abgabenautonomie der Länder blieben jedoch ergebnislos. Derzeit ist das Abschaffen des Artikels 12 der Bundesverfassung geplant. Der Bund möchte mehr Ergebnisverantwortung auf die Länder übertragen und sich aus der Grundsatzgesetzgebung zurückziehen. Die Gefahr von bundesweit unterschiedlichen Leistungsniveaus steigt, die gleichzeitig erforderliche neue Mittelverteilung bleibt offen.

Kann das die Antwort auf immer komplexere, weil interdependente, Aufgaben sein? Kann damit ein auch die Gemeinden einschließendes Modell des Bundesstaates realisiert werden? Können weniger Koordination und stärkerer Wettbewerb untereinander das Mittel der Wahl sein, um unsere Zukunftsfragen zu lösen?

Reformbedarf ist gegeben

Ein dreiteiliger und wahrhaft kooperativer Föderalismus benötigt jedenfalls eine Runderneuerung. Insbesondere bedarf es einer verbesserten Ordnung bei Trägerschaft (inklusive Finanzierung und Ergebnisverantwortung), ausgebauter Steuerungsprozesse und des Aufbaus einer gegenseitigen Vertrauenskultur.

Daneben braucht es eine neue Art der vertikalen und horizontalen Abstimmung von Bund, Ländern und Gemeinden, aber auch von anderen relevanten Stakeholdern. Positive Beispiele hierzu sind etwa die Artikel-15a-Vereinbarung zur Zielsteuerung Gesundheit. In dieser haben sich Bund und Länder auf gesundheitspolitische Grundsätze und auf den Aufbau und Ablauf der Zielsteuerung im Gesundheitsbereich geeinigt. Auch im Raumentwicklungskonzept 2011 wurde in einem breiten Prozess mit Stakeholder-Beteiligung ein Leitfaden für die Umsetzung durch Bundesministerien, Länder und Gemeinden erarbeitet.

Auch die Leistungsplanung und Finanzierung von gemeinsamen Landes- und Gemeindeaufgaben sind zu verbessern. So betont etwa der Vorarlberger Landes-Rechnungshof in einem Prüfbericht des Vorarlberger Sozialfonds die Bedeutung gemeinsamer angestrebter Wirkungen und eine Verbesserung der Steuerung (etwa mittels Rahmen- und Produktvereinbarungen, Produktevaluierungen, Festlegen einer Steuerungskonzeption).

Wichtige Impulse für die Entwicklung des Steuerungssystems bietet dabei der Multi-Level-Governance-Ansatz (deutsch: Mehr-Ebenen-Steuerung). Dieser Ansatz möchte zu einer besseren Koordinierung zwischen den Gebietskörperschaften beitragen. Der anderswo bereits praktizierte Ansatz zeigt, dass bessere Prozesse der Zielentwicklung und das Lernen voneinander möglich sind, was aber auch institutionelle Innovationen erfordert.

Hierzu kann ein Methoden-Set genutzt werden, um zunächst zentrale Hindernisse und Defizite zu beseitigen; dies wird als Gap-Analysis ("Lückenanalyse") bezeichnet (siehe Abbildung). Wichtige Aspekte sind dabei gute Entscheidungsgrundlagen, welche auf einem einheitlichen Informationsstand beruhen. Weiters bedarf es einer gemeinsamen Regelung von Aufgaben und Ressourcen ("Geld folgt Aufgaben"). Schließlich geht es um gemeinsame Strategien, was neu aufgesetzte Prozesse und institutionelle Regelungen (zum Beispiel Strategiekonferenzen zwischen den drei staatlichen Ebenen) erfordert.

Finanzausgleichsreform?

Welche Impulse die Mehr-Ebenen-Steuerung bieten kann, soll am Beispiel der Finanzausgleichsreform gezeigt werden. Seit Jahrzehnten wird über eine ganzheitliche Finanzausgleichsreform diskutiert, tatsächlich sind jedoch nur kleine Schritte innerhalb des Systems möglich gewesen. Dabei sind die Mängel des aktuellen Finanzausgleichssystems offensichtlich. Die öffentliche Finanzwirtschaft ist überzentralisiert, die Verteilung der Gelder orientiert sich nur in Ausnahmefällen an konkreten Aufgaben, viel zu oft werden lediglich die Einwohnerzahl und das Modell "Gießkanne" angewendet und die Transferbeziehungen sind so umfangreich und komplex geworden, dass deren Wirkung nicht dargestellt und eingeschätzt werden kann.

Eine Reform des Finanzausgleichssystems wird daher nur aufbauend auf einem strategischen Zielentwicklungsprozess möglich sein. Nur wenn es eine politische Grundvereinbarung zu den Zielen des Finanzausgleichs gibt, kann es zu einer fundierten Reform kommen. Dass dies möglich ist, hat die Schweiz mit ihrer Föderalismus- und Finanzausgleichsreform gezeigt. Besteht am Beginn eines Reformprozesses eine Grundlagenvereinbarung, so kann auf diese während des gesamten Verhandlungsprozesses Bezug genommen werden.

Sprechen wir darüber, wie wir in Zukunft intelligent zusammenarbeiten und was wir erreichen wollen. Lernen wir aus den Fehlern der Vergangenheit und entwickeln Lösungen für die Fragen der Zukunft. Nutzen wir bestehende Ansätze, um die Koordination und Kooperation im Föderalismus zu verbessern. Der Multi-Level-Governance-Ansatz könnte hilfreich sein, um den wenig kooperativen Föderalismus in Schwung zu bringen.

Zu den Autoren

Am 13. November findet das Symposium
"Steuerung im österreichischen Föderalismus. Herausforderungen und Optionen"
in Wien statt.

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