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Wohlstand gegen Sicherheit

Von David Ignatius

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Der Autor war Chefredakteur der "International Herald Tribune". Seine Kolumne erscheint auch in der "Washington Post".

Australien steckt in der Zwickmühle zwischen China und den USA: Zum ersten Mal ist der wichtigste Handelspartner kein Verbündeter.


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Wenn es um China geht, ist Australien gespalten: Regierungsbeamte betonen die Wichtigkeit ihrer strategischen Allianz mit den USA, auch wenn das Peking aufbringt. Die Wirtschaftsbosse treten jedoch dafür ein, dass sich Australien auf den überwältigenden Einfluss Chinas in Asien einstellen muss.

Dass die Sicherheits- und Wirtschaftsinteressen auseinanderfallen, zwingt Australien zu einer unangenehmen Grätsche. Eine Umfrage des Lowy-Instituts, eines außenpolitischen Thinktanks, der meinen Besuch in Australien organisiert hat, spiegelt den Konflikt wider: Befragt, welche Beziehung für Australien wichtiger sei, sprachen sich je 43 Prozent für die USA und China aus.

Gleichzeitig ist es das erste Mal in der Geschichte Australiens, dass der wichtigste Handelspartner kein Verbündeter ist. Bei meinem Besuch bin ich in fast jedem Gespräch auf die Frage gestoßen, wie mit Chinas wachsendem Einfluss umzugehen ist. Es ist ein Dilemma: Einerseits profitiert Australien enorm von Chinas Aufstieg - 25 Jahre ununterbrochenes Wirtschaftswachstum, das zum Teil Exporten nach China zu verdanken ist. Andererseits hat Australien auch eine große US-Affinität und ist stolz auf die ungebrochene militärische Unterstützung der USA, in guten und in schlechten Zeiten.

Der australische Premier Malcolm Turnbull steht für dieses Ziehen in zwei Richtungen: Als Rechtsanwalt arbeitete er einst an vielen lukrativen Geschäften in China. Heute zählt er jedoch zu den Kritikern der Aktionen Chinas im Südchinesischen Meer. Australische Regierungsbeamte fürchten, dass China die asiatisch-pazifische Region auf ebenso willkürliche Weise behandeln will wie die eigenen Bürger.

Turnbull argumentiert, dass die Spaltung Wohlstand-Sicherheit eine falsche Dichotomie sei, weil Australien nicht das eine ohne das andere haben kann: "Unsere Beziehung zu den USA wird wichtiger, nicht unwichtiger, gerade weil sich das Zentrum der globalen Wirtschaft schonungslos in Richtung Asien verlagert."

Ein australischer Experte vergleicht den militärischen Aufstieg Chinas mit dem Klimawandel: Es ist ein allmählicher und wahrscheinlich nicht aufzuhaltender Prozess. Die Frage sei, ob man versuchen soll, die Auswirkungen durch harte Maßnahmen zu lindern, oder ob man sich einfach dem Unvermeidlichen anpasst.

Die Bereitschaft der australischen Regierung, es mit China aufzunehmen, scheint auf zwei wichtigen Annahmen zu beruhen. Erstens, dass Pekings Aufstieg nicht ungebremst wie bisher angenommen ist. Das chinesische Wirtschaftswachstum hat sich verlangsamt. Und zweitens, dass andere asiatische Staaten nachziehen. Die indische Wirtschaft wächst im Moment schneller als die chinesische. Indonesiens Bruttoinlandsprodukt pro Kopf ist im vergangenen Jahrzehnt um 50 Prozent gestiegen. Und Japan gelingt gerade ein Comeback.

Herz und Geldbörse Australiens befinden sich nicht an der gleichen Stelle. Die Spaltung kann handhabbar sein, aber nur, wenn die USA ein starker und verlässlicher Verbündeter bleiben - auch nach der US-Präsidentschaftswahl im November.

Übersetzung: Hilde Weiss