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Walter Ruck, Präsident der Wiener Wirtschaftskammer, fordert Umwidmungsstopp von Industrie- in Wohnflächen.
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Wien. Die Realisierung von immer mehr Wohnprojekten in Wien hat auch eine Kehrseite. Vor allem für die Industrie. Seit 2001 verlor die Stadt rund 30 Prozent an reinem Industriegebiet. Speziell in den letzten fünf Jahren gab es eine klar ansteigende Tendenz dieses Trends, so eine Betriebsflächenanalyse der Wirtschaftskammer Wien (WKW).
Walter Ruck, Präsident der WKW, will diese Entwicklung nicht hinnehmen. Zuletzt hatten etwa die Umsiedelung des Schwedenbomben-Produzenten Niemetz von Landstraße nach Niederösterreich und entsprechende Überlegungen des Marmeladenherstellers Staud für Kritik an der Standortpolitik des Rathauses gesorgt. Ein Grund für derlei Abwanderungen sei nämlich die zunehmende Platznot für die Industrie, sagt Ruck.
Er fordert daher wirtschaftsfreundlichere Rahmenbedingungen von der Wiener Politik und einen Umwidmungsstopp von Industrie- in Wohnflächen. "Mir ist schon klar, dass man keine neuen Industriegebiete schaffen kann, aber das, was da ist, muss erhalten bleiben", betont der WKW-Präsident. Und weiter: "Eine Stadt wie Wien kann nicht nur von Dienstleistungsbetrieben bestehen." Produktionsbetriebe würden schließlich eine Wertschöpfung von 11,7 Milliarden Euro generieren und für knapp 140.000 Arbeitsplätze sorgen.
Ein entscheidender Faktor für die An- und Absiedelung produzierender Betriebe sind die Standortqualitäten der großflächigen Betriebsgebiete. Diese würden aber zunehmend an Qualität verlieren. Ruck: "Wohngebiete rücken immer näher an die Produktionsbetriebe heran. Damit steigt auch die Gefahr von Anrainerkonflikten, bei denen immer die Betriebe auf der Strecke bleiben."
Beispielhaft für die zu geringe Beachtung von betrieblichen Interessen in der Stadt sei etwa der Wegfall des Güterterminals Nordwestbahnhof, sagt Peter Höger, Planungsreferatseiter der (WKW).
Schwerverkehr künftig durch Wien
Der Terminal wird ab 2017 in den Süden nach Inzersdorf übersiedeln. Neben Inzersdorf wird es dann nur noch den bestehenden Umschlagplatz in der Freudenau geben. Beide Terminals befinden sich im Süden Wiens.
Ein Umstand, den Höger kritisiert: "Betriebe aus dem Norden müssen dann ihre Güter durch die ganze Stadt fahren. Unsere Forderung nach einem dritten Terminal im Norden wurde leider nicht erfüllt."
Vonseiten der ÖBB zeigt man sich überrascht über die Kritik, da es laufende Gespräche mit der WKW zum Thema Terminals gebe. Zudem würden die ÖBB bei Standortentscheidungen die Anbindung an hochrangiges Straßen- und Schienenetz sowie die Betriebsdichte beachten.
Im Zuge ihrer Analyse hat die Wirtschaftskammer auch Unternehmer befragt, wo sie sich Verbesserungen wünschen würden. Bürokratie sowie hohe Betriebs-und Lohnkosten wurden am meisten beklagt, sagt der Industrie-Spartenobmann der WKW Stefan Ehrlich-Adam.
One-Stop-Shop für Genehmigungen
Wobei er grundsätzlich einräumt, dass hier die Stadtpolitik, etwa im Bereich von Arbeitszeitflexibilisierung oder Auflagen durch das Energieeffizienzgesetz, nur sehr begrenzt eingreifen könne und man sich deshalb auch an den Bund wende.
Mit dem Magistrat liefen die Gespräche etwa in Sachen Vereinfachungen bei Betriebsanlagengenehmigungen in die richtige Richtung. So sollen die Genehmigungsstellen demnächst auf vier Standorte konzentriert werden, wovon man sich eine schnellere Abwicklung erhofft. Der Dauerbrenner Fachkräftemangel scheint in der Umfrage übrigens nicht sehr prominent auf. Auch dafür hat die Kammer eine Erklärung: Viele Unternehmer hätten inzwischen resigniert.