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Bundesrahmengesetz bedeutet in der Praxis nochmalige Erschwernis für Armutsbetroffene.
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Es sind zwar nicht unbedingt nur die 6,4 Quadratmeter des Mini-Apartments "tiny100". Menschen, die von Armut betroffen sind, wohnen auf engem Raum: 31 von 100 leben in einer Wohnung, die überbelegt ist. Ein Viertel lebt in einer Wohnung, die feucht und schimmelig ist, 16 Prozent haben wenig Tageslicht. Soweit die Beschreibung der Wohnsituation von jenen mit Mindestsicherung in der EU-Silk-Auswertung der Statistik Austria.
Eigentlich soll die türkis-blaue Sozialhilfe neu, wie die Mindestsicherung davor, den Menschen, die darauf angewiesen sind, Wohnen ermöglichen. In Nieder- und Oberösterreich, die das Bundesrahmengesetz als erste Bundesländer umgesetzt haben, zeigt sich aber, dass sowohl Gesetz als auch Ausführung die Situation für Betroffene nochmals erschweren. "Und zwar nicht nur bei Migranten, wie das ÖVP und FPÖ beabsichtigt haben. Den Schaden haben auch österreichische Familien, Menschen, die krank oder obdachlos sind oder Frauen, die von Gewalt betroffen sind", sagt Martin Schenk von der Armutskonferenz.
Keine Wohnbeihilfe mehr
Robert Bauer berät beim Verein zur Förderung von Arbeit und Beschäftigung, Menschen, die Sozialhilfe benötigen. Mit der neuen gesetzlichen Lage wird die extra beantragte Wohnbeihilfe von der Sozialhilfe abgezogen. "Das war vorher nicht so, da hat man die Wohnbeihilfe dazu erhalten. Ich weiß, das hat man speziell für Ausländer gemacht. Aber es trifft vor allem Österreicher."
Wohnbeihilfe erhalten in Oberösterreich nur jene, die "ununterbrochen und rechtmäßig mehr als fünf Jahre in Österreich ihren Hauptwohnsitz haben." Das ist als Voraussetzung auf der Homepage des Landes vermerkt. Auch laut niederösterreichischem Sozialhilfeausführungsgesetz ist keine zusätzliche Wohnbeihilfe mehr für Menschen mit Sozialhilfe vorgesehen, ergänzt Schenk.
Bauer weiß außerdem von einer weiteren "feinen Gemeinheit, einem Beispiel systemischer Gewalt" beim neuen Antrag zur Sozialhilfe zu berichten: Kreuzt von Eheleuten einer nicht an, dass er Miete bezahlt, dann wird das von manchen Antragsbearbeitenden so gewertet, als ob man nichts für Wohnen bezahlen muss - und die Sozialhilfe um 229 Euro pro Monat reduziert. "Wegen des angeblich fehlenden Wohnaufwands", hieß es vom Armutsnetzwerk Oberösterreich. Da berichtet man außerdem, dass Mietzahlungen nun auch per Kontoauszug oder gar Mietvertrag nachgewiesen werden müssten. "Das ist ein großer Unterschied zur bisherigen Mindestsicherung", sagte Josef Pürmayr einer der Vertreter dieses Netzwerks.
Falsche Wohngemeinschaft
Für den Wohnbedarf sehen die Gesetze nun fixe 40 Prozent der Sozialhilfe vor und 60 Prozent für die Deckung des Lebensunterhalts. In Niederösterreich gibt es für Alleinstehende von den insgesamt 917,35 Euro Sozialhilfe 366,94 Euro fürs Wohnen. Kostet die Wohnung weniger, kann das gesparte Geld - anders als bei der Mindestsicherung bisher - nicht für anderes ausgegeben werden. Der Staat behält es ein. Kostet das Wohnen mehr, könnte ein Bundesland zuzahlen. Aber auch hier gibt es einen Pferdefuß: "Es gibt nun einen Deckel bei den Wohnkosten-Zuzahlungen von höchstens 30 Prozent", sagt Schenk.
Auch das Zusammenfassen von Erwachsenen - egal ob mit Unterhaltspflicht oder nicht - zu Haushaltsgemeinschaften, die in einer Wohneinheit oder Wohngemeinschaft leben, senkt den Bezug: Denn für die zweite Person gibt es nur mehr 70 Prozent, für die dritte Person und weitere Personen sogar nur mehr 45 Prozent. Mit diesem Passus zielten ÖVP und FPÖ auf Asylberechtigte ab, er trifft aber auch Österreicher.
Menschen in Obdachlosenunterkünften erhalten somit plötzlich nur mehr 45 Prozent des Sozialhilfe-Richtsatzes. Auch Frauen, die nach einer Trennung oder Scheidung in einer Übergangswohnung leben, weil sie die sich von Gewaltbeziehungen trennen wollen, sind zwar in Oberösterreich ausgenommen, in Niederösterreich aber nicht - ein Problem für Frauen mit Sozialhilfe, die zum Beispiel in einer Übergangswohnung für mehrere Frauen mit ihren Kindern unterkommen wollen, wie bei einem Projekt in Gmünd der Frauenberatung Waldviertel.
Denn: "Sie haben zwar einzelne Schlafzimmer, aber nützen Küche und Sanitärräume gemeinsam, gelten als Haushaltsgemeinschaft, somit werden alle miteinbezogen und die Sozialhilfe gekürzt", sagt Anna Haneder von der Frauenberatung, die die Gmünder Wohnung betreibt. Das schrecke Frauen ab einzuziehen und ist nicht ungefährlich, "da die Frauen und ihre Kinder zu Hausen psychischem Druck ausgesetzt sind, und sich und ihre Kinder rasch schützen wollen."
"tiny100" ist übrigens nicht als Lösung für Sozialhilfe-Beziehende gedacht, sondern die Antwort des Architekten Van Bo Le-Mentzel auf hohe Immobilienpreise. Er zeigt damit, dass auf kleinem Wohnraum alles Notwendige verfügbar sein könnte - ohne Schimmel und mit Sonnenlicht.