Ein Investor will in der Wiener Innenstadt das Dach eines Barockhauses ausbauen. Mieter erheben schwere Vorwürfe gegen das Denkmalamt.
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Wien. Wie durchdesignte Raumschiffe landen sie auf den Dächern von Altbauten: Dachgeschoß-Ausbauten. Seit einigen Jahren scheinen, ganze Bezirke aufgestockt zu werden. Augenscheinlich handelt es sich dabei meist nicht um günstigen Wohnraum für viele, sondern um Luxus-Appartements für wenige. Sie gelten als Vorboten der Gentrifizierung. Gegenden, in denen sie auftauchen, erhalten schnell die Attribute "schick" und "hip". Sie sind ein Reizthema.
Besonders hitzig wird die Debatte, wenn das Dach eines denkmalgeschützten Hauses ausgebaut werden soll. Neoliberale Gewinnmaximierung trifft auf die Bestrebung, Kulturerbe zu erhalten. Am Beispiel eines Hauses im 1. Bezirk kann dieses Ringen exemplarisch für viele Häuser der Stadt gezeigt werden. Das Bundesdenkmalamt spielt dabei eine eher ungewöhnliche Rolle.
Ehemaliger Palmers-Chef probiert es erneut
Das Haus in der Schwertgasse 3 nimmt beinahe die gesamte Westseite der Gasse ein. Seit 300 Jahren steht es hier. In Anlehnung an das Hauswappen wird der Barockbau "Zu den sieben Schwertern" genannt. Im Jahr 1924 wurde er, als eines der ersten Gebäude Österreichs, denkmalgeschützt. Der Turm der Kirche Maria am Gestade wirft seinen Schatten auf die "Sieben Schwerter". Sie stehen unter dem Ensembleschutz der Kirche und sind sozusagen doppelt geschützt. Der Standort des Hauses im "historischen Zentrums Wiens" macht es außerdem zum Teil des Unesco Weltkulturerbes. Man könnte also meinen, es sollte wie ein Augapfel gehütet werden.
Trotzdem wird ein Ausbau des Dachstuhls durch Luxuswohnungen seit Jahren immer wieder angedacht. Der Eigentümer - eine Stiftung des ehemaligen Palmers-Chefs Rudolf Humer - musste ein erstes Umbauprojekt 2014 wieder zurückziehen. Es war von zwei amtlichen Gutachten negativ beurteilt worden. Vor allem die Erhaltung des historischen Dachstuhls wurde durch den Ausbau in Frage gestellt. Die barocke Zimmermannskunst, mit ihren typischen Zierschnitten, sei besonders schützenswert.
Im April 2016 nahm der Investor einen neuen Anlauf und reichte erneut Umbaupläne ein, die der "Wiener Zeitung" vorliegen. Überraschenderweise beinhalten auch sie grobe Eingriffe in den Dachstuhl des Hauses. Holzbalken und Sparren sollen durchtrennt und die sogenannte Dachhaut soll von einem Aufzugsschacht durchstoßen werden. Die Dachform würde einer Terrasse zum Opfer fallen. Unter dem ursprünglichen Dachstuhl soll eine Stahlkonstruktion eingezogen werden.
Der Umgang mit Dachböden ist in den "Standards der Baudenkmalpflege" festgeschrieben. Sie wurden 2014 vom Bundesdenkmalamt herausgegeben und sollen der Behörde helfen, Entscheidungen zu fällen. In diesen Standards findet sich folgende Passage: "Bei Dachstühlen beziehungsweise Dachböden von besonderer Bedeutung ist aus Gründen der bautechnischen wie bauphysikalisch gesicherten Bestandserhaltung sowie aus historisch-ästhetischen Gründen ein Dachgeschoßausbau denkmalfachlich nicht vertretbar." Den "Standards" zufolge hätten die Pläne des Eigentümers somit keine Chance.
Die Mieterinnen und Mieter der Schwertgasse 3 befürchten jedoch, dass sie trotzdem freigegeben werden. Denn sie erheben schwere Vorwürfe gegen das Bundesdenkmalamt. Die Präsidentin der Behörde, Barbara Neubauer, stecke mit dem Eigentümer unter einer Decke. "Hier sollen Wohnungen für Millionäre gebaut werden", sagen sie. "Um dieses Ziel zu erreichen, wird ein barockes Haus zerstört. Und das Bundesdenkmalamt macht bereitwillig mit." Außerdem würde man die alten Mieter systematisch hinausekeln. Im Erdgeschoß habe ein Rotlicht-Etablissement eröffnet. Vier Kündigungsklagen seien bereits ausgesprochen worden. Das Gericht gab jedoch den Mieterinnen und Mietern recht.
Zerstörung des historischen Dachstuhls befürchtet
Auch Wolfgang Zinggl, Nationalratsabgeordneter der Grünen, befürchtet eine Zerstörung des Dachstuhls. Im Gespräch mit Neubauer hatte er den Eindruck, dass "sie in den Plänen keine Verletzung des Denkmalschutzes sieht". Für Zinggl ist jedoch das Gegenteil der Fall. "Meine Sicht der Dinge ist eindeutig. Die Pläne widersprechen den Standards der Baudenkmalpflege klar", sagt Zinggl gegenüber der "Wiener Zeitung".
Im Oktober 2016 stellt Zinggl eine parlamentarische Anfrage an den zuständigen Minister für Kunst und Kultur Thomas Drozda. Der Minister ordnet die Bestellung eines externen Gutachters aus Deutschlands an. Dieser soll klären, ob durch die geplanten Eingriffe in die Bausubstanz, der Denkmalsschutz des Hauses gefährdet wird. Bis jetzt ist das Gutachten noch ausständig. Laut Friedrich Dahm, Leiter der Abteilung Wien des Bundesdenkmalamtes, würde die Behörde auf Grundlage des externen Gutachters entscheiden.
Auch wenn das Gutachten zu dem Schluss kommt, dass die Umbauten dem Denkmalschutz widersprechen, könnten sie stattfinden. Denn laut Denkmalschutzgesetz muss auch die Wirtschaftlichkeit eines Objektes berücksichtigt werden. Sollte die Instandhaltung des Gebäudes also nur durch den Bau von Luxuswohnungen abgedeckt werden können, kann das Bundesdenkmalamt trotzdem für den Umbau entscheiden. Genau das befürchten die Mieterinnen und Mieter der Schwertgasse. Momentan würden rund 26 Prozent der Wohnfläche leer stehen, ein Viertel davon würde an Touristen über die Buchungsplattform "booking.com" vermietet, sagen sie.
Wiens Status als Weltkulturerbe gefährdet nicht nur der geplante Turm beim Eislaufverein neben dem Stadtpark, auch die Ausbauten der Dachgeschoße in der Innenstadt bedrohen die "Authentizität und Integrität der Welterbestätte". So sieht es jedenfalls Icomos, der internationale Rat für Denkmalpflege. Ob Wien weiterhin als schützenswertes Kulturerbe gelten wird, hängt somit wohl vom Bundesdenkmalamt ab.